Allgemein Margrits Kolumne

Margrits Kolumne: Die Büchse der Pandora

Prometheus, der Beschützer der Menschheit, holte einst das Feuer aus dem Olymp und brachte es den Menschen. Das ärgerte Zeus, den Göttervater, so sehr, dass er zur Strafe die Büchse der Pandora öffnen ließ und alle Übel dieser Welt herausströmten, zum Beispiel die Krankheiten, die Mühsal und der Tod.

Seit der Antike wurde die Menschheit durch Seuchen und Katastrophen „bestraft“, dennoch starb sie nicht aus wie tausende von Tierarten. Sie überlebte Pest und Cholera, Pocken und Lepra, Aids und Syphilis. Dank der Ansteckungsphobie ist es heute möglich, alle Anordnungen der Obrigkeit durchzusetzen, zum Beispiel Abstand zu wahren und kleine Enkelkinder nicht auf den Arm zu nehmen.

In diesem Jahrtausend treibt nicht das Elend der Pandora die Menschen um, sondern es sind winzige, wirksame Un-Wesen, die die Erde mobil gemacht hat: Viren. Sie sind organische Strukturen, dem Leben nahestehend, haben keinen eigenen Stoffwechsel und können nicht leben und nicht sterben. Sie brauchen einen Wirt, damit es ihnen richtig gut geht. Der ideale Wirt ist der Mensch oder besser seine Zellen. Erst wenn der homo sapiens dereinst ausgestorben sein wird, hat CORONA keinen Wirt mehr und verschwindet.

Ginge es noch nach Zeus, würde die Pandemie als Bestrafung für böse Taten angesehen. Diese sind nicht mehr geklautes Feuer aus dem Olymp, sondern den modernen Zeiten entsprechende Un-Taten wie etwa Ausbeutung der Natur, Missbrauch der Tiere, Massentierhaltung, Tierversuche, Lichtverschmutzung, Rodung halber Erdteile und nicht zuletzt grenzenlose Habgier.

Prometheus wurde an einen Felsen gefesselt, jeden Tag kam ein Adler und fraß seine nachgewachsene Leber. Der Mensch aber ist frei, kann umdenken, kann sein Leben und seine Umwelt ändern. Werden die winzigen Viren bewirken, dass er edel, hilfreich und gut wird und Pandora nicht erneut ihre Büchse öffnet, um weit schlimmere Viren als bisher auf die Menschheit los zu lassen?

Margrit Vollertsen-Diewerge, Juni 2020