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27. Mai 2020: Kulturerbe: Keine Anerkennung für Tierleid-Traditionen


Der Verband Deutscher Brieftaubenzüchter hat sich erneut um die Anerkennung als nationales immaterielles UNESCO-Kulturerbe beworben. Der Bundesverband Menschen für Tierrechte hat den Züchterverband zuvor zu Tierschutzaspekten befragt. Da dieser die Missstände nicht widerlegen konnte, forderte der Tierrechtsverband die Mitglieder des Expertenkomitees jetzt auf, das Brieftaubenwesen nicht als immaterielles Kulturerbe anzuerkennen. Um grundsätzlich die Anerkennung von tierquälerischen Traditionen auszuschließen, setzt sich Menschen für Tierrechte dafür ein, den Tierschutz in die Ethischen Prinzipien der UNESCO aufzunehmen.

Das Brieftaubenwesen kämpft mit Nachwuchsproblemen. Eine Anerkennung als deutsches UNESCO Kulturerbe sollte unter anderem den Fortbestand des sogenannten Brieftaubensports sichern. Nach der 2018 gescheiterten Bewerbung hat sich der Verband Deutscher Brieftaubenzüchter im Oktober 2019 erneut um die Anerkennung als nationales immaterielles UNESCO-Kulturerbe beworben. Ab Mitte Juni findet die Begutachtung der Bewerbungen durch das UNESCO-Expertenkomitee statt. Schon anlässlich der ersten Bewerbung appellierte der Bundesverband Menschen für Tierrechte aufgrund der bestehenden Tierschutzmissstände* an das UNESCO Expertenkomitee und die Kultusminister. Ein Ablehnungsgrund waren 2018 auch Zweifel an der Einhaltung der Tierschutzgesetze. Nach Bekanntgabe des erneuten Versuchs befragte Menschen für Tierrechte den Verband Deutscher Brieftaubenzüchter zu den vermeintlichen Tierschutzverbesserungen, erhielt jedoch keine konkreten Antworten**.

Brieftaubenwesen: Bewerbung trotz bekannter Tierschutzprobleme
Trotz der Aussage der Züchter, wonach der Tierschutz eine zentrale Rolle spiele, verstößt der sogenannte „Brieftaubensport“ nach Ansicht des Bundesverbandes Menschen für Tierrechte gleich gegen mehrere Tierschutzgesetze. Die züchterische Selektion geeigneter Brieftauben, ihre Tötung sowie die Überforderung während der Trainings- oder Wettflüge bewertet der Tierrechtsverband als hochgradig tierschutzrelevant. Deswegen forderte er jetzt die Entscheidungsträger auf, die Bewerbung des Verbands Deutscher Brieftaubenzüchter erneut abzulehnen.

Hobby rechtfertigt kein Tierleid
„Weder die Ausübung eines Hobbys noch kommerzielle Absichten rechtfertigen das Leid der Tiere. Im Gegenteil: Der Verfassungsrang des Tierschutzes verpflichtet dazu, diesen konsequent durchzusetzen. Deswegen fordern wir grundsätzlich, dass alle Traditionen, die mit Tierleid verbunden sind, nicht als immaterielles Kulturerbe anerkannt werden dürfen“, sagt die Biologin Dr. Claudia Gerlach. Wie wichtig dies ist, zeigt ein weiteres aktuelles Beispiel: Der Landkreis Garmisch-Partenkirchen wollte kürzlich die dortige Kulturlandschaft als UNESCO-Weltkulturerbe schützen lassen. In diesem Zuge sollte auch die als besonders tierquälerisch bekannte „Anbindehaltung“ von Rindern als schützenswertes Kulturgut eingestuft werden. Um die Anerkennung von tierausbeuterischen Traditionen grundsätzlich auszuschließen, fordert der Bundesverband Menschen für Tierrechte, den Tierschutz in die Ethischen Prinzipien des Immateriellen Kulturerbes aufzunehmen.


* Tierschutzrelevante Praktiken beim Brieftaubenwesen
Die Selektion geeigneter Brieftauben ist oft mit Tod und Leid der Tiere verbunden. Das Töten erfolgt meist bei vollem Bewusstsein mittels Umdrehen des Kopfes, oft ohne Nachweis einer Qualifikation. Selektiert werden die Tiere anhand von äußerlichen Merkmalen sowie Leistung. Verluste während der Trainings- oder Wettflüge sind nachgewiesen (1). Der Züchterverband argumentiert mit geschulten Flugleitern, Auflassprotokollen, allmählicher Distanzsteigerung beim Training sowie nicht korrekten Verlustraten. Doch es fehlen Trainingskontrollen (2, S. 15) und auch wenn die Verlustrate schwierig zu ermitteln ist, so sind aufgefundene Tiere und die Rassemerkmale von Stadttauben Beleg dafür, dass es regelmäßig zu Verlusten kommt. Entweder die Tiere verenden auf dem Rückflug, werden Opfer von Beutegreifern oder sie schließen sich den Stadttauben an. Es ist wissenschaftlich nachgewiesen, dass die Stadttaube genetisch von Rasse- bzw. Brieftauben abstammt (3, 4).

**Züchterverband kann Missstände nicht widerlegen
Auf die Fragen von Menschen für Tierrechte hinsichtlich der Methoden zur Leistungssteigerung entgegnete der Verband Deutscher Brieftaubenzüchter beispielsweise, dass die Tauben aufgrund der Bindung an den Züchter, Orientierungsfähigkeit und Heimatliebe wiederkehrten. Aus Sicht des Tierrechtsverbandes entspricht dies nicht der Wahrheit. Die Züchter nutzen vielmehr die Partnertreue der Tiere aus. Bei der sogenannten Witwermethode werden die, zum Teil über die gesamte Flugsaison, getrennt gehaltenen Partner, für kurze Zeit vor dem Flug zusammengeführt (2, S.15). Hinzu kommt, dass ein Minimum an Freiflügen nicht festgelegt ist. Ein täglicher Freiflug wurde nur für die Sommermonate angegeben. Die angegebenen Kontrollmöglichkeiten für eine fachgerechte Durchführung der Flüge und für die tierschutzgerechte Haltung sind für die Züchter nicht verpflichtend.

(1) Warzecha, M., Kahlcke, K. und Kahlcke, M. (2009): Beitrag zur Ermittlung von Kennzahlen zu Verlusten bei Wettflügen von Brieftauben (Untersuchungszeitraum: 2004–2008). PDF online
(2) Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz e.V.: Tierschutz im Brieftaubensport. Merkblatt 121. Juli 2009, Online unter: https://www.tierschutz-tvt.de/index.php?id=50#c290
(3) Shapiro, M. D., & Domyan, E. T. (2013). Domestic pigeons. Current biology : CB, 23(8), R302-3. Unter “What are feral Pigeons?” PDF online
(4) Humphries, C. (2013). Pigeon DNA proves Darwin right. Nature News. Posted on nature. com January, 31. Satz: “It also found that street pigeons are genetically similar to racing homing pigeons, which frequently escape into the wild.” PDF online

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Der Bundesverband Menschen für Tierrechte setzt sich seit seiner Gründung 1982 auf rechtlicher, politischer, wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Ebene für die Anerkennung elementarer Tierrechte ein und kämpft gegen jeglichen Missbrauch von Tieren. Das langfristige Ziel ist eine grundsätzliche Veränderung des Mensch-Tier-Verhältnisses. Dem Dachverband mit Hauptsitz in Erkrath (früher Aachen) sind Vereine sowie private Fördermitglieder angeschlossen. Seine Stärke liegt im Zusammenwirken von Seriosität, Fachwissen und Lobbyarbeit auf höchster politischer Ebene. Dazu verfolgt der Verband einen Masterplan zum Ausstieg aus dem Tierversuch und eine Agrarwende von der tierischen zur pflanzlichen Eiweißproduktion, um das Ende der „Nutztier“-Haltung zu erreichen. Darüber hinaus ernennt der Verband beispielsweise das „Ersatzverfahren bzw. Replace des Jahres“ sowie das: „Versuchstier des Jahres“, betreibt die Wissenschaftsplattform InVitro+Jobs für eine konsequente Förderung der tierversuchsfreien Forschung und setzt sich mit dem Projekt SATIS für eine humane Ausbildung ein. Weitere Arbeitsschwerpunkte sind die Etablierung der Tierschutz-Verbandsklage, eine tierlose bio-vegane Landwirtschaft sowie die Aufnahme von Tierrechten in die Lehrpläne von Schulen. Der Verband gibt viermal im Jahr das Magazin tierrechte heraus. Neben einem Themenschwerpunkt informiert die Zeitschrift Journalisten, Wissenschaftler, Politiker, Behörden und Verbandsmitglieder über aktuelle Entwicklungen in der politischen Tierrechtsarbeit. Zudem erscheint zweimal monatlich der Tierrechte Newsletter. Der Bundesverband Menschen für Tierrechte ist seit seiner Gründung als gemeinnützig und besonders förderungswürdig anerkannt. Beiträge und Spenden sind steuerlich absetzbar.

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