Anlässlich der Agrarministerkonferenz (AMK) am 7. und 8. Mai 2020 haben 14 Verbände an die Landwirtschaftsminister der Länder appelliert, die vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) vorgeschlagene Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (TierSchNutztV) zur Kastenstandhaltung von Sauen nicht zu unterstützen. Für die langen Übergangsfristen oder gar eine Streichung der Mindestanforderung gäbe es keinerlei Rechtfertigung. Im Gegenteil: Der Ausstieg aus der veralteten, gesetzeswidrigen und tierquälerischen Kastenstandhaltung ist längst überfällig und gesellschaftlich geboten, die nachträgliche Legalisierung eines seit Jahren illegalen Haltungssystems inakzeptabel. Die Verbände fordern stattdessen eine grundlegende Reform der „Nutz“tierhaltung.
Illegaler Zustand darf nicht legalisiert werden
Begründung: Die vom BMEL vorgelegte Änderung zur Kastenstandhaltung von Sauen missachtet umfänglich das Urteil des Oberverwaltungsgerichtes Sachsen-Anhalt vom 24.11.2015 und den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 08.11.2016. Danach müssen Kastenstände so ausgestaltet sein, dass jede Sau ungehindert in Seitenlage die Gliedmaßen ausstrecken können muss. Dies ist aktuell in den meisten Betreiben nicht der Fall, trotz rechtlicher Vorschrift aus dem Jahr 1992.
17 Jahre Übergangsfrist
In dem von Bundesministerin Klöckner vorgelegten Verordnungsentwurf soll nun genau diese rechtliche Vorschrift gestrichen werden. Damit missachtet der Entwurf ein höchstrichterliches Urteil und legalisiert einen illegalen Zustand nachträglich mithilfe eines juristischen Tricks. Zudem sieht der Entwurf eine Übergangsfrist von bis zu 17 Jahren vor, bevor die Standzeiten der Sauen zumindest verkürzt und die Breiten der Kastenstände minimal vergrößert werden. Für die geplanten Übergangsfristen oder gar eine Streichung der Mindestanforderung gibt es keine Rechtfertigung. Im Gegenteil, dies würde einen systematischen Rechtsbruch legalisieren und höchstrichterliche Rechtsprechung ad absurdum führen.
Ausstieg überfällig und gesellschaftlich geboten
Auch der Vorschlag des Agrarausschusses des Bundesrates beinhaltet keinen Verzicht auf die Kastenstandhaltung, weder im Deckbereich noch im Abferkelstall. Der Ausstieg aus der veralteten, gesetzeswidrigen und tierquälerischen Kastenstandhaltung ist längst überfällig und gesellschaftlich geboten, wie unzählige Umfragen, Gutachten, Petitionen, Aktionen und nicht zuletzt die erfolgreiche Europäische Bürger:inneninitiative END THE CAGE AGE belegen.
Bundesverfassungsgericht entscheidet über Schweinehaltung
Auch das Land Berlin sieht zentrale rechtliche Anforderungen an die Schweinehaltung in Deutschland nicht im Einklang mit der Verfassung und hat im Januar 2019 einen Normenkontrollantrag beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Mit einer Entscheidung ist schon im nächsten Jahr zu rechnen. Spätestens im Falle einer aus Tierschutzsicht erfolgreichen Normenkontrolle würde die TierSchNutztV obsolet und müsste dann wieder aufgemacht und komplett überarbeitet werden.
Grundlegende Reform statt Reparaturen eines kranken Systems
Den grundsätzlich tierquälerischen Kastenstand zu verbessern, beispielweise durch kürzere Standzeiten, würde ihn möglichweise zukunftstauglich machen und ein Verbot erschweren. Wir brauchen eine grundlegende Reform der „Nutz“tierhaltung in Deutschland und Europa und keine Schönheitsreparaturen innerhalb eines kranken Systems. In Schweden und Großbritannien ist der Kastenstand seit Jahrzehnten verboten. Es spricht alles dafür, beim Kastenstand zu beginnen. Alle fachlichen, rechtlichen und gesellschaftlichen Argumente liegen auf dem Tisch, ebenso die gesetzlichen Grundlagen sowie die wirtschaftlichen Möglichkeiten. Was fehlt, ist allein der Wille zum Ausstieg.
Hier lesen Sie den Offenen Brief der Verbände.