Allgemein Industrielle Tierhaltung

Kompetenznetzwerk: Umbau der Tierhaltung unumgänglich

Am 11. Februar 2020 stellte Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner den Bericht des von ihr beauftragten sogenannten „Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung“ – auch „Borchert-Kommission“ genannt – vor. In dem Bericht heißt es unmissverständlich, dass der Umbau der Tierhaltung unumgänglich ist. Hintergrund sind die massive Nitratbelastung von Böden und Umwelt durch zu viel Gülle, die hohen Treibhausgasemissionen durch die intensive Tierhaltung und allgemein die veränderte gesellschaftliche Einstellung zur Tierhaltung. Um den Umbau zu finanzieren, spricht sich die Kommission für eine Verbrauchssteuer auf tierische Produkte aus. Für den Bundesverband Menschen für Tierrechte sind einige Ansätze in dem Bericht Schritte in die richtige Richtung, in vielen Bereichen reichen die Maßnahmen jedoch nicht weit genug.

Verpflichtende Haltungskennzeichnung auf EU-Ebene
Das oberste Ziel soll der flächendeckende Umbau der Tierhaltung nach Umwelt-, Tierschutz- und Klimaaspekten sein. Der Umbau soll über die vom Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) entwickelten 3-Stufigen Tierwohlkennzeichnung erfolgen. Bis 2020 soll eine freiwillige Kennzeichnung für Schweinefleisch und bis 2021 für Geflügel, Eier, Rindfleisch und Milch eingeführt werden. Im Rahmen der deutschen Ratspräsidentschaft soll die Einführung einer verpflichtenden Kennzeichnung auf EU-Ebene bis 2025 angestoßen werden. Der gesetzliche Mindeststandard soll bis 2030 auf Stufe 1 und bis 2040 auf Stufe 2 angehoben werden.

Verbrauchssteuer auf tierische Produkte
Um den Umbau zu finanzieren, spricht sich die Kommission für eine mengenbezogene Verbrauchssteuer auf tierische Produkte aus, die beim Verkauf aufgeschlagen wird. Konkrete Vorschläge sind 40 ct pro kg Fleisch/Fleischverarbeitungsprodukte, 2 ct pro kg Milch/Frischmilchprodukte, 15 ct pro kg Käse, Butter, Milchpulver sowie 2 ct pro kg Ei. Die Kommission geht davon aus, dass mit den Einnahmen der Finanzierungsbedarf für den Umbau der Tierhaltung von 3,6 Mrd. € gedeckt werden.

Schritte in die richtige Richtung
Der Ansatz die Abgaben auf tierische Produkte zu erhöhen, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Problematisch ist jedoch, dass die 1. Stufe der sogenannten Tierwohlkennzeichnung im Prinzip dem völlig unzureichenden gesetzlichen Mindeststandard entspricht. Deswegen wird es erst 2040 nennenswerte Verbesserungen in der Tierhaltung durch das Anheben des Mindeststandards auf Stufe 2 geben. Um den Umbau der Tierhaltung der derzeitigen völlig inakzeptablen Tierhaltung voranzutreiben, sollte von vornherein mindestens Stufe 3 als gesetzlicher Mindeststandard für alle relevanten Tierarten angestrebt werden.

Export von Fleisch- und Milchprodukten muss einbezogen werden
Problematisch ist zudem, dass besonders für die Schweinehaltung der Export eine wesentliche Rolle spielt. Die Deutschen essen zwar immer weniger Fleisch, die grausame industrielle Tierhaltung wächst jedoch immer weiter, weil immer mehr Fleisch exportiert wird. Seit der Jahrtausendwende hat sich der Export von Fleisch- und Milchprodukten nach China verdreißigfacht. Deswegen ist es unumgänglich, dass auch der Export in die Abgaben miteinbezogen wird. Die geplante die Anhebung des gesetzlichen Mindeststandards darf nicht erst 2030 erfolgen.

Keine Reduzierung des Fleischkonsums vorgesehen
Leider taucht der Punkt Überproduktion und Verschwendung von Ressourcen durch den massiven Fleischkonsum im vorgelegten Konzept nicht auf. Dabei ist eine Reduzierung der Treibhausgase nur möglich, wenn die Tierbestände abgestockt und die Futtermittelimporte verringert werden. Solange Tiere noch für die Erzeugung von Lebensmitteln gehalten werden, ist eine flächengebundene Tierhaltung notwendig. Das heißt, dass ein Betrieb nur so viele Tiere halten darf, dass er das Futter für sie selbst erzeugen kann. So entsteht nicht mehr Gülle, als die Pflanzen auf dem Acker verbrauchen. Dies trägt dazu bei, die Belastung von Boden und Wasser zu reduzieren.

Wichtiger Hebel: Reform der EU-Agrar-Subventionen
Ein zentraler Ansatz ist die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) ab 2021. Diese bietet die Chance, die EU-Landwirtschaftssubventionen grundsätzlich umzustrukturieren. Im aktuellen Förderzeitraum bis 2020 fließen fast drei Viertel der Mittel, rund 293 Milliarden Euro, über die erste Säule in Direktzahlungen. Diese begünstigen die industriell geprägte Intensivtierhaltung. Nur 1,5 Prozent der Gelder fließen derzeit in Tierschutzmaßnahmen. Statt wie bisher rein die Bewirtschaftung von Fläche zu subventionieren, müssen die Subventionen gezielt in tier- und umweltfreundlichere Haltungsformen fließen. Insbesondere die Mittel der zweiten Säule mit ELER, in denen Tierwohlförderungsprogramme verankert sind, müssen massiv aufgestockt werden. Leider plant die EU-Kommission derzeit diese Programme zu kürzen. Im Rahmen der deutschen Ratspräsidentschaft muss die Bundesregierung mit gutem Beispiel vorangehen und die von der Borchert-Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen in Brüssel umsetzen.

Nötig: Gesamtstrategie für eine Agrar- und Ernährungswende
Die Maßnahmen der „Borchert-Kommission“ bestätigen den Forderungskatalog von Menschen für Tierrechte. Der Tierrechtsverband fordert eine Gesamtstrategie, um die Agrar- und Ernährungswende voranzubringen. Der Forderungskatalog umfasst 14 Einzelmaßnahmen. Dies sind unter anderem das Ende der Mehrwertsteuerermäßigung für tierische Lebensmittel, die Einführung einer Klima-Abgabe auf Fleisch, Milch und Eier sowie Steuerbefreiungen für klimafreundliche Produkte.

Um die überfällige Agrar- und Ernährungswende voranzubringen, hat der Bundesverband Menschen für Tierrechte eine Petition gestartet unter: www.change.org

Empfehlungen der Borchert-Kommission unter: www.bmel.de