Margrits Kolumne

Margrits Kolumne: „…denn es fühlt wie du den Schmerz!“

Mit dem Mitleid für Tiere ist das so eine Sache. Dazu schreibt Jens Kulenkampff, Professor für Philosophie (1), „wie es moralisch nicht in Ordnung ist, Menschen zu quälen, ist es auch nicht in Ordnung, Tiere zu quälen“ und stellt fest, „denn der Mensch besitzt wohl die Anlage zu Mitleid und Mitgefühl; aber die konkrete Ausbildung dieser Fähigkeit ist uns nicht angeboren, sondern muss erworben und ausgebildet werden“ (2).

Es steht wohl außer Zweifel, dass Tierversuche mit Quälerei verbunden sind. Wie aber gehen Menschen, die auf diesem Gebiet tätig sind, mit ihrem Mitleid und Mitgefühl um? Haben sie keines? Oder wurde es nicht ausgebildet? Oder wird es unterdrückt, weil ja „alles zum Wohl des Menschen ist“?

Hier soll nicht von dem Widerstand zum Paradigmenwechsel die Rede sein, auch nicht von den unzähligen Möglichkeiten der tierversuchsfreien Forschung. Hier
soll auf die Tricks der Verantwortlichen hingewiesen werden, die durch ein Zauberwort jedes Mitempfinden mit der Kreatur im Keim ersticken. Es ist das
Wort „Modell“.

Ein Modell ist ein Abbild der Wirklichkeit, das aber nicht alle Attribute des Originals wiedergibt, sondern nur die, welche dem Modellbenutzer wichtig erscheinen. So kann er also einem Zauberer gleich bewirken, dass ein Mausmodell zwar noch immer ein Lebewesen ist, das aber zum gefühllosen Abbild mutiert. Ein Tiermodell ist noch immer ein Hund, ein Schaf oder ein Schwein, aber eben nur ein Modell, mit dem man kein Mitleid haben muss, dessen Tod ein Defekt des Modells ist, das entsorgt und durch ein anderes ersetzt wird. Der Nutzer braucht keine Skrupel zu haben, so einem Modell den Darm zu durchlöchern – er nimmt, wenn es sich als nicht brauchbar erweist, ein anderes Tiermodell.

Denn es fühlt wie du den Schmerz? Reine Ansichtssache, nichts weiter.

(1) Prof. Dr. Jens Kulenkampff ist Professor für Philosophie an der FAU Erlangen.
(2) Von armen Schweinen und bunten Vögeln, Tierethik im kulturgeschichtlichen Kontext, Hrsg. Stephanie Waldow, 2015, S. 35 ff.

© Margrit Vollertsen-Diewerge, November 2019