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27. August 2019: Ersatzverfahren des Jahres: Neue Teststrategie statt Tierleid

Die Broschüre zum „Ersatzverfahren des Jahres“ informiert auf 15 Seiten ausführlich über die neue Teststrategie in der Entwicklungsneurotoxizität.

In seiner Serie „Ersatzverfahren des Jahres“ konzentriert sich der Bundesverband Menschen für Tierrechte diesmal auf ein neues Verfahren, mit dem man Schädigungen der Nervenzellentwicklung des Kindes im Mutterleib feststellen kann. Studien zeigen, dass die Fälle von  Verhaltensstörungen, die durch schädliche Substanzen ausgelöst werden, zunehmen. Hinzu kommt, dass in Tests auf Entwicklungsneurotoxikologie (ENT) unzählige Tiere ihr Leben lassen. Beim „Ersatzverfahren des Jahres“ geht es um eine Lösung für beide Probleme: die leidvollen Tierversuche zu beenden und neue Verfahren für sichere Vorhersagen zu finden.

Wissenschaftler warnen, dass Autismus, Lernbehinderungen oder Aufmerksamkeitsdefizitstörungen bei Kindern zunehmen. Um schädliche Substanzen rechtzeitig ausfindig zu machen, schreibt der Gesetzgeber noch immer Tierversuche vor. Jährlich fallen in Deutschland ungefähr ein Viertel aller „Versuchstiere“ solch gesetzlich vorgeschriebenen Versuchen zum Opfer. Laut Bundesstatistik waren das 2017 insgesamt 556.946 Tiere, der Großteil davon Mäuse und Ratten. Knapp die Hälfte davon starb für Giftigkeits- und Sicherheitsprüfungen.

1000 Tiere pro Prüfsubstanz
Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) gibt in der Richtlinie 426 vor, wie die nervenschädigende Wirkung von Substanzen gemessen werden muss. Da die potenziell schädlichen Stoffe an Rattenweibchen und ihren Welpen getestet werden, müssen dafür derzeit etwa 1000 Tiere pro Prüfsubstanz gezüchtet und getötet werden. Abgesehen vom Leid der Tiere kritisieren Wissenschaftler die Tests auf Entwicklungsneurotoxikologie (ENT) wegen ihrer mangelhaften Übertragbarkeit, der langen Laufzeit und den hohen Kosten (1).

Unsicher und grausam: Tests am Tier
„Die meisten entwicklungsneurotoxischen Phänomene können am Tier gar nicht gemessen werden. Zudem sind die Versuche für die Pharmabranche enorm kosten- und zeitintensiv. Umso dringlicher ist der Bedarf an neuen leistungsfähigen Verfahren“, so Dr. Christiane Hohensee, wissenschaftliche Referentin beim Bundesverband und Leiterin von InVitro+Jobs, dem Portal für die tierversuchsfreie Forschung.

In der Entwicklung: Neue tierfreie Teststrategie
Um Gefahren auf die Hirnentwicklung sicher feststellen zu können, arbeitet die European Food Safety Authority (EFSA) derzeit gemeinsam mit Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen an einer kosteneffizienten Strategie auf Basis einer zuverlässigen in-vitro-Testbatterie (2). Das Verfahren ist schon weit fortgeschritten: Derzeit sind bereits 17 in-vitro-Methoden bei der europäischen Validierungsbehörde EURL ECVAM im Beurteilungsprozess (3).

Tierfreie Forschung ausbauen
„Es ist großartig, dass die neue Teststrategie endlich validiert wird. Doch es gibt ein Problem: Das Anerkennungsverfahren dauert zwischen sechs und 15 Jahre ! Das muss schneller gehen. Außerdem muss die tierversuchsfreie Forschung massiv ausgebaut werden, insbesondere durch die Erhöhung der Forschungsgelder innerhalb Deutschlands und der EU. Es ist im Interesse aller, dass diese neue Teststrategie so schnell wie möglich angewendet wird“, mahnt Hohensee.

Hier können Sie die ausführliche Broschüre zum Ersatzverfahren des Jahres als PDF herunterladen.

(1) Baumann, J., Gassmann, K., Masjosthusmann, S., DeBoer, D., Bendt, F., Giersiefer, S. & Fritsche, E. (2016). Comparative human and rat neurospheres reveal species differences in chemical effects on neurodevelopmental key events. Arch Toxicol. 2016 Jun;90(6):1415-27. doi: 10.1007/s00204-015-1568-8
(2) Hessel, E. V. S., Staal, Y. C. M. & Piersma, A. H. (2018). Design and validation of an ontology-driven animal-free testing strategy for developmental neurotoxicity testing. Toxicol Appl Pharmacol. 354: 136-152. doi: 10.1016/j.taap.2018.03.013.
(3) EURL ECVAM (2018). Status report on the development, validation and regulatory acceptance of alternative methods and approaches 2018. Publications Office of the European Union, DOI: 10.2760/818599 (online). https://ec.europa.eu/jrc/en/publication/
eur-scientific-and-technical-research-reports/eurl-ecvam-status-report-development-validation-and-regulatory-acceptance-
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Kontakt:
Dr. Christiane Hohensee
Tel.: 030 530 263 77
E-Mail: hohensee@tierrechte.de

Pressestelle:
Christina Ledermann
Tel.: 0211/16345429
Mobil: 0179/450 46 80
E-Mail: ledermann@tierrechte.de

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Menschen für Tierrechte – Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.
Neue Geschäftsstelle: Mühlenstr. 7a, 40699 Erkrath
Tel: 0211 / 22 08 56 48, Internet: www.tierrechte.de

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Der Bundesverband Menschen für Tierrechte setzt sich seit seiner Gründung 1982 auf rechtlicher, politischer, wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Ebene für die Anerkennung elementarer Tierrechte ein und kämpft gegen jeglichen Missbrauch von Tieren. Das langfristige Ziel ist eine grundsätzliche Veränderung des Mensch-Tier-Verhältnisses. Dem Dachverband mit Hauptsitz in Erkrath (früher Aachen) sind über 60 Vereine sowie private Fördermitglieder angeschlossen. Seine Stärke liegt im Zusammenwirken von Seriosität, Fachwissen und Lobbyarbeit auf höchster politischer Ebene. Dazu verfolgt der Verband einen Masterplan zum Ausstieg aus dem Tierversuch und eine Agrarwende von der tierischen zur pflanzlichen Eiweißproduktion, um das Ende der „Nutztier“-Haltung zu erreichen. Darüber hinaus ernennt der Verband beispielsweise das „Ersatzverfahren bzw. Replace des Jahres“ sowie das: „Versuchstier des Jahres“, betreibt die Wissenschaftsplattform InVitro+Jobs für eine konsequente Förderung der tierversuchsfreien Forschung und setzt sich mit dem Projekt SATIS für eine humane Ausbildung ein. Weitere Arbeitsschwerpunkte sind die Etablierung der Tierschutz-Verbandsklage, eine tierlose bio-vegane Landwirtschaft sowie die Aufnahme von Tierrechten in die Lehrpläne von Schulen. Der Verband gibt viermal im Jahr das Magazin tierrechte heraus. Neben einem Themenschwerpunkt informiert die Zeitschrift Journalisten, Wissenschaftler, Politiker, Behörden und Verbandsmitglieder über aktuelle Entwicklungen in der politischen Tierrechtsarbeit. Zudem erscheint zweimal monatlich der Tierrechte Newsletter. Der Bundesverband Menschen für Tierrechte ist seit seiner Gründung als gemeinnützig und besonders förderungswürdig anerkannt. Beiträge und Spenden sind steuerlich absetzbar.