Allgemein Industrielle Tierhaltung

Klimawandel: Ist die Fleischsteuer ein sinnvoller Ansatz?

Im Vorfeld der Sitzung des Klimakabinetts am 20. September, wo Eckpunkte für ein Maßnahmenpaket entschieden werden sollen, diskutieren Politik und Verbände die Einführung einer Fleischsteuer, beziehungsweise eine höhere Mehrwertsteuer auf tierische Produkte. Tierschutz- und Tierrechtsverbände fordern seit Jahren eine Angabe auf tierische Produkte. Nun scheint endlich der Punkt erreicht, an dem sich die Politik nicht mehr vor Konsequenzen drücken kann. Doch reicht eine Steuer? Die Antwort ist: Ja, aber nicht nur!

Würde man die Schäden der Fleischproduktion für die Umwelt auf den Erzeugerpreis umlegen, dann müssten tierische Produkte dreimal so teuer sein wie bisher. Foto: Rainer Sturm / pixelio.de

Der Klimawandel beschäftigt Politik und Gesellschaft auch im Sommerloch. Anfang August veröffentlichte der Weltklimarat (IPCC) einen Sonderbericht zu den Wechselwirkungen zwischen Erderwärmung und Landnutzung. Darin stellen rund 100 Wissenschaftler fest, dass auch die Landwirtschaft einen Beitrag leisten muss, damit das anvisierte Zwei-Grad-Ziel noch erreicht werden kann. Die industrielle Landwirtschaft trägt maßgeblich zur Klimaerwärmung bei. Sie verursacht fast ein Viertel der weltweit verursachten Treibhausgase. Insbesondere die steigende Produktion von rotem Fleisch – in erster Linie Rind- und Schweinefleisch – wird die Erde weiter stark belasten.

Verschiedene Modelle in der Diskussion
Währenddessen diskutieren Politik und Verbände verschiedene Modelle einer Fleischsteuer. Grüne und Sozialdemokraten und Teile der Union sprechen sich für eine Erhöhung der Mehrwertsteuer für Fleisch aus. Das Umweltbundesamt fordert, tierische Produkte mit dem normalen Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent zu besteuern, statt wie bisher mit sieben Prozent. Abgefedert werden soll die Verteuerung durch eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Obst und Gemüse. Der Deutsche Tierschutzbund setzt sich für eine Steuer auf alle tierischen Produkte ein, beispielsweise pro Kilo Fleisch, Liter Milch oder Eierkarton. Das zusätzlich eingenommene Geld soll für mehr Tierschutz in der Haltung verwendet werden. Grünenchef Robert Habeck forderte, das gesamte Mehrwertsteuersystem ökologisch und sozial umzubauen. Das Kuddelmuddel von unterschiedlichen Sätzen müsse aufgehoben und das gesamte System im Hinblick „auf ökologische Lenkungswirkung, Kohärenz und soziale Auswirkungen“ umgebaut werden.

Ökonom: Umweltkosten bei der Produktion berücksichtigen
Der Wirtschaftswissenschaftler Tobias Gaugler hat in der Studie „Was kosten uns Lebensmittel wirklich?“ berechnet, dass die Preise viel stärker steigen müssten, wenn man die Umweltkosten berücksichtigen würde, die bei der Produktion entstehen. Die Lebensmittel, die den geringsten Schaden verursachen, sollen danach am niedrigsten besteuert werden, die Schädlichsten am höchsten. Würde man die Schäden für die Umwelt auf den Erzeugerpreis umlegen, dann müssten tierische Produkte dreimal so teuer sein wie bisher. Noch sinnvoller wäre es aus seiner und aus volkswirtschaftlicher Sicht jedoch, wenn man die Schäden den Verursachern zuordnen würde. Etwa indem man die industrielle Landwirtschaft in das CO2-Steuersystem einbezieht, statt sie – wie bisher – hoch zu subventionieren.

Fleischsteuer: Ja, aber nicht nur!
Die beste Antwort auf die Frage einer Fleischsteuer ist: „Ja, aber nicht nur!“ Denn wir können die Tierhaltung nicht nur der vermeintlichen Lenkungswirkung einer Steuer überlassen. Dennoch ist die Diskussion sinnvoll. Denn es muss endlich Schluss sein mit jeglichen finanziellen Privilegien für die Agrarindustrie, egal ob sie aus Steuern, Förderungen oder Subventionen stammen. Zudem ist es zutiefst ungerecht, wenn klimafreundliche pflanzliche Produkte mit dem normalen Steuersatz von 19 Prozent künstlich verteuert werden, während schädliche Produkte steuerlich privilegiert sind. Bei der Kalkulation der Höhe der Steuer sollten dabei möglichst die tatsächlichen Umwelt- und Folgekosten der Produktion der einzelnen Produkte berücksichtigt werden. Die Einführung einer erhöhten Mehrwertsteuer auf tierische Produkte ist dafür ein guter Anfang, denn sie ist relativ einfach und schnell umsetzbar. Letztlich hat sie auch eine Signalwirkung, indem sie zeigt, dass der hohe Konsum tierischer Produkte schädlich ist, ähnlich wie bei anderen besteuerten Waren wie Benzin, Alkohol oder Zigaretten.

Hebel: Umbau der Agrarsubventionen
Die realistische Besteuerung schädlicher Produkte ist ein erster wichtiger Schritt. Doch es darf nicht der einzige sein. Klöckner kommt um weitere Maßnahmen, ja, um ein Gesamtkonzept, zum Umbau der landwirtschaftlichen Tierhaltung nicht mehr herum. Dies ist ein Mix aus verschiedenen Maßnahmen: Dazu gehören eine neue Besteuerung, die Verschärfung und Konkretisierung des Tierschutzgesetzes, der Abbau der gravierenden Defizite bei Vollzug und Gerichtsbarkeit bei Tierschutzvergehen. Ein anderer wichtiger Hebel ist die Umstrukturierung der EU-Agrar-Subventionen. Statt über pauschale Direktzahlungen weiter die industrielle Tierhaltung zu subventionieren, muss die Vergabe von Fördergeldern über die zweite Säule zwingend an Maßnahmen für mehr Tier-, Umwelt- und Naturschutz gekoppelt werden. Doch bisher lehnt Klöckner es ab, die Direktzahlungen für Großbetriebe abzuschaffen.

Das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats für Agrarpolitik enthält alle nötigen Maßnahmen für mehr Tier- und Klimaschutz und einen grundlegenden Umbau des Systems.

Nötig: Gesamtstrategie für einen Agrarwende
Die nötigen Maßnahmen für mehr Tier- und Klimaschutz und einen grundlegenden Umbau des Systems liegen längst auf dem Tisch. Das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats für Agrarpolitik aus dem Jahre 2015 enthält ein strammes Aktionsprogramm für Bund, Länder, EU und Privatwirtschaft. Aus diesem Gutachten und den anderen Ansätzen muss Klöckner jetzt zügig eine Gesamtstrategie entwickeln. Die Niederlande machen uns gerade vor, wie es gehen kann: Mit dem verpflichtenden Abbau ihrer Tierbestände.

 

Gutachten herunterladen
Das Gutachten „Wege zu einer gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung“ finden Sie in einer Langversion (425 Seiten), einer Kurzversion (78 Seiten) und in einer Zusammenfassung (8 Seiten) auf der Internetseite des Landwirtschaftsministeriums unter: www.bmel.de