Im Juni 2013 führte der Saarländische Landtag die Tierschutz-Verbandsklage ein. Ein Meilenstein, denn das Klagerecht ermöglicht seitdem anerkannten Tierschutzverbänden als Anwalt der Tiere tierschutzrelevante Entscheidungen von Behörden gerichtlich überprüfen zu lassen. Doch nun, da nach sechs Jahren die erste Verbandsklage durch die Tierbefreiungsoffensive Saar (TIBOS) ansteht, reagiert das zuständige Umweltministerium, indem es dem klagewilligen Verein die Anerkennung entziehen will – ein juristischer Skandal. Im Kern geht es darum, dass das saarländische Umweltministerium einer Schwanenstation eine Betriebserlaubnis erteilt hat, obwohl seit Jahren tierschutzwidrige Zustände dokumentiert wurden. Nachdem die Tierbefreiungsoffensive Saar gegen die Erteilung dieser Erlaubnis Klage eingereicht hatte, droht ihr nun die Aberkennung der Klagebefugnis. Wir sprachen mit dem Juristen Dr. Michael Heuchemer, der die Tierrechtsorganisation vertritt.
1. Tierrechte: Dr. Heuchemer, die Tierbefreiungsoffensive Saar will die erste Tierschutz-Verbandsklage im Saarland führen. Um was geht es bei der Klage?
Es geht bei dieser Klage darum, dass die „Tierbefreiungsoffensive Saar“ seit 2018 die völlig überraschende und entgegen schriftlich vorliegender, anders lautender Ankündigungen erfolgte Verlängerung der Erlaubnis für den Betrieb einer aus unserer Sicht dubiosen Schwanenstation in Perl um weitere fünf Jahre bekämpft. An unserer Seite kämpft die Gemeinde Perl, vertreten durch ihren Bürgermeister und die Gemeindeverwaltung, die sich einen umfassenden Einblick verschafft hat und natürlich über eine jahrelange Erfahrung mit diesen Betreibern verfügt.
Weiterhin hatte der Tierschutzbeirat des Bundeslandes Rheinland-Pfalz am 17.8.2017 eine einstimmige Resolution zu Händen des saarländischen Umweltministers Reinhold Jost gefasst mit dem Begehren, diese Verlängerung nicht zu erteilen. Der Grund für die massiven, begründeten Widerstände gegen die Station ist die jahrelange Chronologie nicht hinnehmbarer Vorfälle und die sich daran anknüpfenden massivsten Zweifel an der Zuverlässigkeit des Herrn Lothar Lorig, den das Oberverwaltungsgericht Koblenz bereits in einem aufsehenerregenden Urteil 2014 (8 A 10469/14.OVG) als „Handlungsstörer“ im „polizeirechtlichen Sinne“ angesehen hat, nachdem er in der Vorgänger-Station in Trier massive gesundheitliche Schäden in einer Massenhaltung von Schwänen auf den dortigen Beton-Fußböden zuließ, was zu Ballenabszessen und ähnlichen furchtbar schmerzhaften Schäden bei den Tieren führte.
Das im Internet nachlesbare Urteil ist ein Dokument des Grauens. Hinzu kamen immer neue Strafverfahren unter anderem wegen massiver Verdachtsmomente der Jagdwilderei und Hehlerei mit Tieren und weitere Unregelmäßigkeiten. Nach der Räumung der Station in Trier unter behördlicher Begleitung „floh“ Lorig ins Saarland nach Perl. Nachdem wir die dortigen Behörden auf diese spezielle Vergangenheit aufmerksam machten, legte das saarländische Umweltministerium im Januar 2018 schriftlich nieder, dass es von einer mangelhaften Zuverlässigkeit des Lorig gem. § 11 TierSchG ausgehe. Uns und auch den Betreibern wurde die höchstwahrscheinlich bevorstehende Auflösung der Station kommuniziert.
Unversehens und bedingt durch Umstände, die wir bis heute nicht nachvollziehen können, vollzog sich 2018 aber ein völliger „Schwenk“ der Saar-Behörden, und als „verantwortliche Person“ wurde nicht mehr Lorig, sondern die Ehefrau Lorigs benannt – aus unserer Sicht eine Umgehungskonstruktion, die allen ernsthaften und um das Tierwohl besorgten Tierschützern als glatte Verhöhnung erscheinen muss. Gegen diese aus unserer Sicht wahrhaft groteske und offensichtliche Verhöhnung und gegen die Umgehung des tierschutzrechtlichen Zuverlässigkeitsbegriffs klagen wir.
2. Was wollen Sie mit der Klage erreichen?
Wir wollen erreichen, dass Recht und Gesetz und vor allem die Vorschriften des Tierschutzes eingehalten werden. Es kann nicht sein, dass eine Person wie Lothar Lorig, dem in einem seitenlangen, lesenswerten Urteil des Oberverwaltungsgerichts Koblenz in 2014 (im Internet leicht zu finden, Aktenzeichen 8 A 10469/14.OVG) die Eigenschaft als Störer im polizeirechtlichen Sinne aufgrund der Duldung und Hervorrufung massiv tierschutzwidriger Umstände wie den Ballenabszessen und im übrigen auch eine völlige Überbelegung der Station mit bis zu 79 Schwänen vorgeworfen wurde und der dann immer wieder aus guten Gründen in den Fokus der Justiz gerät, nunmehr durch einen derart „faulen“ Umweg wiederum der Zugriff auf die Tiere in Perl ermöglicht wird – bei sehr dubiosen Zuführungen von Tieren, was immer wieder die Justiz beschäftigt.
Nachdem ernsthaft, aber erfolglos versucht wurde, einen wirklich neutralen und zuverlässigen neuen Betreiber der Station zu finden, hat man sich im Saarland aus nicht ansatzweise nachvollziehbaren Gründen auf diese „faule“ Umgehungskonstruktion in Perl geeinigt, deren Anrüchigkeit und offensichtliche Ungeeignetheit in grotesker Weise zutage liegt. Dies gilt umso mehr, als Lorig und Konsorten sich übrigens gar keine Mühe geben, diese offensichtliche Umgehungskonstruktion groß zu „tarnen“: Gegenüber Medien wie unter anderem der „Saarbrücker Zeitung“ die beispielhaft auf unserer Homepage nachlesbar sind, hat er klar eingeräumt, unverändert in der Station zu arbeiten – auch nunmehr in den entsprechenden Schriftsätzen. Nach außen hin hat sich mithin gar nichts geändert.
3. Tierrechte: Wie kann es unter diesen Umständen sein, dass das Umweltministerium der Auffangstation für Wasservögel im Mai erneut eine Erlaubnis (nach Paragraf 11 Tierschutzgesetz) erteilt hat?
Das fragen wir uns auch. Uns ist es nicht ansatzweise nachvollziehbar, wie man auf der Grundlage der bekannten und im Umweltministerium nunmehr seit Jahren in allergrößter Dichte aktenkundigen verschriftlichten Belege und der Erkenntnisse mehrerer Strafverfolgungsbehörden diese Erlaubnis erteilen konnte. Dies gilt umso mehr, als uns nunmehr der uns zunächst vorenthaltene und erst auf konkrete Mahnung zugereichte zentrale Besprechungsvermerk vom 17.01.2018 aus dem Umweltministerium vorliegt, in welchem explizit ausgeführt ist, „dass der Behörde umfangreich vorliegendes Material genügt, die Zuverlässigkeit von Herrn Lorig in Frage zu stellen.“ Dort heißt es auch, „dass die Auflösung der Station behördlicherseits angeordnet wird. Als angemessene Fristsetzung wird seitens der Behörde der 31.03.2018 erachtet. Bis zu diesem Zeitpunkt hat Frau S.-G. die Tiere auszuwildern.“
Diese Ausführungen sind sodann eingehend mit Gesetzesmaterialien überzeugend belegt worden. Was den überraschenden Sinneswandel herbeiführte, ist schier unerfindlich. Das ist rechtswidrig. Der Vorgang macht fassungslos – zumal nunmehr erneut Strafverfahren gegen Herrn Lorig nach eingehenden Ermittlungen unter anderem spezialisierter Fachabteilungen für Umweltkriminalität bei den Strafverfolgungsbehörden geführt werden und vor wenigen Tagen die Staatsanwaltschaft Koblenz einen Strafbefehl wegen Jagdwilderei gegen diejenige Person beantragt hat, die seit Jahren als „Einfänger“ und Zuführer von Schwänen in Erscheinung getreten ist. Wegen eines anderen solchen Vorgangs in der selben Personenkonstellation ist immer noch vor dem Amtsgericht Cochem ein Klageverfahren anhängig. Lorig ist, rechtlich gesehen, die ungeeignetste Person, die Station zu führen. Und nunmehr gibt sich die Behörde mit dem „Deckmäntelchen“ der Einsetzung seiner Frau zufrieden – für uns eine „Strohfrau-Konstruktion“.
4. Vermuten Sie einen Zusammenhang zwischen dem Inhalt der Klage und der angedrohten Aberkennung der Klagebefugnis für die Tierbefreiungsoffensive Saar?
Für uns liegt dieser Zusammenhang offensichtlich auf der Hand. Wir haben die Klage eingehend begründet – und die vorstehenden, nachweislichen Tatsachen erzwingen rechtlich eine Entscheidung zu unseren Gunsten. Die Chronologie der Vorereignisse und Verfahren kann man übrigens nachlesen auf der Homepage des Tierschutzbeirats des Bundeslandes Rheinland-Pfalz und auf unserer Homepage. Aus diesen Gründen sind wir vollständig überzeugt, das Klageverfahren zu gewinnen.
Und was folgt kurz nach der Ausreichung der 73-seitigen Klagebegründung mit umfassenden Nachweisen? Unserer Mandantschaft, der „Tierbefreiungsoffensive Saar“ wurde mit aus unserer Sicht „an den Haaren herbeigezogenen“ Gründen eine Anhörung zugestellt, zielend auf die Aberkennung des Verbandsklagerechts nach den §§ 1,2 TSVKG. So kann man es natürlich auch versuchen: Kaum liegt eine aussichtsreiche, im Interesse des Tierschutzes dichtest begründete Klage vor, versucht die Behörde, dieser während des laufenden Verfahrens die Grundlage zu entziehen – und erklärt die Verfügung, die sodann erging, auch noch für „sofort vollziehbar“, damit sich das Klagevorhaben inhaltlich erledigt.
Schon vorab wurde uns – hier in einem Vermerk verschriftlicht – bedeutet, dass die Ausreichung der Klage keine gute Idee sei und harsche Konsequenzen haben würde. Dass sich das Umweltministerium zu einem dergestalt rechtswidrigen Akt, der aus unserer Sicht auch ein flagranter Anschlag auf die Rechtsstaatlichkeit und den Tierschutz schlechthin ist, wirklich versteht – dies hätten wir auch nicht geglaubt. Wir wehren uns mit einer Klage und einem Eilantrag.
5. Das klingt nach einem waschechten Justizskandal! Wie sehen Sie das?
Ja, dies ist ein Justizskandal reinsten Wassers. Nach Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes ist die Verwaltung an Recht und Gesetz gebunden. Wir hatten dem Umweltministerium und dem Landesamt für Verbraucherschutz in akribischer, dem Tierwohl dienender Arbeit Seite an Seite mit zahlreichen ehrenamtlichen Tierschützern, dem Tierschutzbeirat des Bundeslandes Rheinland-Pfalz und der Gemeinde Perl umfangreiche Informationen und Beweise geliefert, welche auch die Behörde selbst ausweislich des Vermerks vom 17.01.2018 zu dem Schluss kommen ließ, dass die Situation in Perl untragbar ist.
Aus nicht nachvollziehbaren Gründen vollzog man dann einen Schwenk um 180 Grad und verschloss die Augen vor all diesen Bedenken – die Folgeereignisse wie die alle Bedenken verhöhnende Selbst-Präsentation des Herrn Lorig in weiteren Zeitungsartikeln als weiterhin maßgeblich agierende Gestalt in der Station sprechen für sich und die Handlungen, die zu weiteren Strafverfahren geführt haben, bestätigen uns vollends. Das Umweltministerium macht sich zum Gehilfen und Komplizen dieser rechtswidrigen Aktivitäten. Und eine Vereinigung von Tierschützern, die dagegen klagt, wird mit einem aberwitzigen Bescheid bekämpft. Dies macht uns fassungslos.
6. Dies klingt nach einem Paradebeispiel für das massive Vollzugsdefizit im Tierschutzrecht. Zeigen die Vorgänge nicht auch recht plastisch, dass das Tierschutzrecht nicht umgesetzt, ja sogar von der zuständigen Behörde sabotiert wird?
Genau ein solches Paradebeispiel liegt in der vorliegenden Sache vor. Dies wird die zu erwartenden Urteile in den Verfahren zu Leitentscheidungen des Tierschutzrechts machen, auf welche das ganze Land und alle Tierschützer blicken dürfen und sollten. Dies ist gleichsam der „Lackmus Test“ dafür, ob der Tierschutz funktioniert, ernstgenommen und umgesetzt wird.
Was im Saarland geschieht, ist eine groteske Umwertung, welche zeigt, dass ein Verband massivst unverhältnismäßig und rechtswidrig diszipliniert, in seiner Existenz bedroht und mit Kosten überzogen werden soll, wenn er nur dasjenige tut, was der Gesetzgeber des saarländischen Tierschutz-Verbandsklagegesetzes wollte: Das 2013 eingeführte TSVKG beabsichtigt, den Schützern der Tiere eine juristische Stimme zu verleihen, über welche die Tiere selbst naturgemäß nicht verfügen.
In vielen Bundesländern – ich blicke nach NRW – wurde beklagt, dass von diesem Instrument zu wenig Gebrauch gemacht wird, sodass das Verbandsklagerecht zur Disposition gestellt wurde. Im Saarland erleben wir das Gegenteil: Klagt endlich ein Verband aus einem guten Grund, so wird der Versuch unternommen, das Klagerecht zu beseitigen und die Klage der Sachentscheidung zu entziehen. Aus unserer Sicht wird das Umweltministerium „Schiffbruch“ erleiden.
Aber bereits der insofern unternommene juristische Vernichtungsversuch und das darin zum Ausdruck gelangende Verständnis von Rechtsstaatlichkeit macht traurig und betroffen. Statt eine sachliche Auseinandersetzung zu führen und mit Respekt die Entscheidung des Gerichts abzuwarten, werden vorgeschobene, sachwidrige und offensichtlich rechtswidrige Angriffe auf den betroffenen Verein und seine Klagebefugnis versucht.
Diese Vorgehensweise und diese Einschüchterungsversuche sind eines Rechtsstaats und einer deutschen Behörde nicht würdig. Alle Tierschützer sollten gegen diese Aushebelung der ihnen erst vor sechs Jahren verliehenen Rechte auf die Barrikaden gehen.
Weitere Informationen zu dem Fall unter:
www.michael-heuchemer.de
www.tierschutzbeirat-rlp.de