Stadttauben

Tierschutzkonformes Stadttaubenmanagement

Für die einen sind sie besonders liebenswerte Vögel, für die anderen“Schädlinge“, die es zu vernichten gilt. Doch es gibt Konzepte, die ein friedliches Miteinander ermöglichen, wie auch die große Umfrage von 2021 zeigt [1].

Stadttauben sind Haustiere, wie ein neues Gutachten belegt [2]. Sie sind im Laufe der Zeit ausgesetzte oder entflogene Haus-, Brief- oder Rassetauben und deren Nachkommen und verwildern über die Zeit nicht. Sie sind an ein Leben in freier Wildbahn weder adaptiert noch aufgrund der Zucht geeignet [2]. Ursprünglich stammen die Stadttauben von der Felsentaube ab. Die Felsentaube nistet in Höhlen und Spalten an Steilklippen an Meeresküsten. Vergleichbare Nistmöglichkeiten bieten den Haustauben Gebäudefassaden, so dass die freilebenden Haustauben oft in der Stadt in und an Gebäuden ihre Nester errichten. Da Tauben in den Städten auch leichter Futter finden, welches oft aus weggeworfenen oder verlorenen Essensresten besteht, halten sie sich  bevorzugt an von Menschen viel frequentierten Orten auf, z.B. in Einkaufspassagen oder an Bahnhöfen. Dadurch kommt es zum gehäuften Auftreten von Tauben an diesen Orten.

Stadttauben sind Haustiere
Das „Taubenproblem“ in unseren Städten ist menschengemacht. Seit über 2.000 Jahren dienten Tauben dem Menschen als Boten oder auch Fleisch- und Federlieferanten wie z. B. noch im 2. Weltkrieg. Durch gezielte Zucht wurden Tauben über die Jahrtausende an die unterschiedlichen Bedürfnisse des Menschen angepasst. Durch den Prozess der Domestikation verfügen die Tiere über bestimmte genetisch bedingte Eigenschaften (vermindertes Aggressions- und Territorialverhalten, erhöhte Fortpflanzungsrate), welche die Hauptursache des Stadttaubenproblems darstellen. Sie sind keine Wildtiere, sondern freilebende bzw. obdachlose Haustiere. Aufgrund ihrer Abstammung von Felsentauben haben sie festgelegte Eigenschaften wie das Brüten in hochgelegenen Nischen, das Leben in Schwärmen und Standorttreue.

Hohe Anpassungsfähigkeit
Stadttauben sind fähig, sich den Gegebenheiten der Stadt in Bezug auf Brutplätze und Nahrung anzupassen. Die Nahrungsgrundlage bilden neben dem von Taubenfreunden ausgestreuten Futter die Abfälle der Wohlstandsgesellschaft. Die Stadttauben entwickeln sich immer mehr zu Allesfressern.

Extreme Nachwuchsrate
Im Laufe der Domestikation wurde die Felsentaube zum Nutzen des Menschen genetisch verändert. Als Folge der Zuchtwahl brütet sie ganzjährig. Ein Brutpaar kann unter optimalen Bedingungen bis zu 12 flügge Jungtiere pro Jahr aufziehen.

Überschätzte Gesundheitsgefahr
Unsachliche Medienberichte und Informationen von Schädlingsbekämpfern über die von Tauben ausgehende Gesundheitsgefährdung (Krankheitserreger, Parasiten) schüren Ängste und Aggressionen. Hingegen ist die Gesundheitsgefahr nach dem Bundesgesundheitsamt von 1994 nicht größer als durch Zier- und Wildvögel sowie durch Nutz- und Liebhabertiere. Sich bei Hunden oder Katzen anzustecken, ist für den Menschen eine wesentlich größere Gefahr. Tauben können im Sinne der Infektionsschutzgesetzes nicht als Schädlinge angesehen werden. Die Ansteckungsgefahr mit auf den Menschen übertragbaren Krankheiten ist als sehr gering einzuschätzen (Hirt, A., Maisack, C., Moritz, J. (2015): Tierschutzgesetz: TierSchG, Kommentar 3. Auflage). So wurde die angebliche Gesundheitsgefahr von ForscherInnen und TiermedizinerInnen z.B. in einem Spiegel-Online-Artikel (August 2017) „Gesundheitsrisiko Tauben – Das Geschäft mit der Angst“ mehrfach widerlegt.

In einem Abwehrnetz verendete Jungtauben.

Einseitige Lösungsversuche
Mit verschiedenen Abwehrmaßnahmen will man Tauben von bestimmten Örtlichkeiten fernhalten. Solche Maßnahmen können mitunter unentbehrlich sein. Netze oder Spanndrähte, fachgerecht angebracht, sind aus der Sicht des Tierschutzes unbedenklich, wenn sie regelmäßig gewartet werden. Insgesamt aber werden damit Probleme nicht ursächlich gelöst, sondern lediglich auf Nachbargebäude verlagert.  Auch das z. T. praktizierte Fangen (und anschließende Umsiedeln oder Töten) der Tauben ist nicht wirkungsvoll, sondern führt zu einer Verjüngung der schnell wieder anwachsenden Taubenbestände. Es ist zudem ethisch nicht vertretbar sowie unwirtschaftlicher als das hier vorgestellte Gesamtkonzept.

Fütterungsverbote
Fütterungsverbote werden in vielen Kommunen verhängt. Eine Kontrolle dieses Verbotes ist jedoch kaum umsetzbar. Wäre es möglich, alle Futterquellen einer Stadt für Tauben zu schließen und ein Fütterungsverbot konsequent durchzusetzen, würde dies auf eine Tötungsmaßnahme durch Verhungern hinauslaufen. Diese Form der Populationsreduzierung ist für die Tiere mit erheblichen Leiden und Schmerzen verbunden und nicht mit dem Tierschutzgesetz vereinbar. Bei dem von uns empfohlenem Konzept sind Fütterungsverbote nahe der Taubenschläge und in Fußgängerzonen ratsam. Bei flächendeckenden Taubenhäusern, d. h. fast alle Tauben leben in Schlägen, ist sogar eine komplette Umsetzung des Fütterungsverbots empfohlen.

Tierschutzkonformes Stadtaubenmanagement in einem Taubenschlag. Foto: tierrechte.de

Tiergerechte Bestandsregulierung
Das Geburtenkontrollkonzept wurde von der dem Bundesverband Menschen für Tierrechte angeschlossenen Bundesarbeitsgruppe Stadttauben entwickelt und ist das bislang erfolgreichste Mittel, um die Taubenpopulationen tierschutzgerecht und nachhaltig zu reduzieren. Es wurde als „Augsburger Modell“ oder „Aachener Modell“ bekannt, weil dies die ersten Städte waren, die das Konzept umsetzten. Das tierschutzgerechte Konzept führt erwiesenermaßen zum Erfolg, wenn gewisse Schlüsselkriterien beachtet werden, wie der Umfragebericht von 2021 zeigt [1].

Es ist ein Gesamtkonzept mit dem Ziel einen gesunden, stadtverträglichen Taubenbestand zu erreichen. Mehrere Maßnahmen sind dafür vorgesehen:

  • Die Einrichtung von betreuten Nistplätzen in Form von Taubenschlägen mit Austausch der Eier gegen Attrappen. Durch die Versorgung mit Futter und Wasser werden die Tiere an die Schläge gebunden und halten sich ca. 80% des Tages dort auf und setzen somit den Großteil ihres Kots im Schlag ab.
  •  Mit dem Bau von Taubenschlägen muss die Schließung wilder Nistplätze im Umkreis der Schläge erfolgen.
  • Eine weitere wichtige Maßnahme ist die Aufklärung der BürgerInnen. Inhaltlich sollte über die Biologie der Stadttauben, den Tierschutz, den Verzicht auf Taubenfütterung, die Verhinderung von wilden Brutplätzen, die wahrheitsgemäße Gesundheitsgefahr sowie tierschutzwidrige Abwehrmaßnahmen (z. B. Klebepasten) aufgeklärt werden.

Mit stadtweiten Konzepten können möglichst viele Stadttauben an die Schläge gebunden werden. So können Bürgerinnen und Bürger entlastet und die Taubenfrage tierschutzgerecht gelöst werden.

Die Kommunen sind in der Pflicht
Nach dem neuen Gutachten [2] gelten Stadttauben als Fundtiere. Daher haben Kommunen die Pflicht zur Lösung der dauerhaften, menschengemachten tierschutzrechtlichen Probleme von Stadttauben. Aufgrund der tierschutzrechtlichen Schutz- bzw. Halterpflichten müssen sie ein professionelles Taubenmonitoring und Taubenmanagement etablieren, unter anderem mit der Unterstützung von Tierschutz-, Stadttaubenvereinen bzw. Ehrenamtlichen [2]. Das Gutachten ist eine wichtige Überzeugungsgrundlage für die Verantwortungsübernahme des Stadttaubenmanagements durch die Kommune.

Neben unserem ausführlichen Praxishandbuch bieten wir Flugblätter (kurze Information über Ursachen der Taubenproblematik und Lösungen zum Verteilen an Passanten, die noch nichts von der Problematik wissen), Broschüren (umfangreichere Information für interessierte Bürger) und Ratgeber-DVDs in 45- und 22 minütiger Länge an.

Praktische Tipps zum Umgang mit Tauben auf dem eigenen Balkon finden sich hier.

[1] siehe „Erfahrungen mit Stadttaubenprojekten nach dem „Augsburger Modell“ und Praxisbeispiele – Ergebnisse der Stadttaubenumfrage 2020/2021“, Menschen für Tierrechte, Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V., 2021. Zum Herunterladen als 22-seitige Kurzfassung sowie 53-seitige Langfassung.

[2] Arleth C., Hübel J. Rechtsgutachten Stadttaubenschutz. Tierschutzbeauftragte des Landes Berlin. Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskiminierung; 29.10.2021. Available from: www.berlin.de