Am Mittwoch, den 6. Februar 2019, hat Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) die Kriterien des jahrelang geplanten staatlichen „Tierwohlkennzeichens“ für Schweinefleisch vorgestellt.
Doch statt Lob hagelte es Kritik von allen Seiten. Denn ein freiwilliges Label ist ungeeignet, die skandalösen Zustände in der industriellen Tierhaltung zu beenden. Dies kann nur die Politik. Statt die Verantwortung auf den Verbraucher abzuwälzen, müssen endlich strenge gesetzliche Vorgaben für die Tierhaltung her.
Das neue Tierwohlkennzeichen soll Verbesserungen bei Haltung, Transport und Schlachtung sowie mehr Transparenz für den Verbraucher bringen. Wie zu erwarten war, hagelte es Kritik von Opposition, Tier-, Natur- und Verbraucherschutzverbänden. Gemeinsamer Hauptkritikpunkt – auch des Bauernverbandes – ist, dass das Label nicht verpflichtend sein soll. Kritisiert werden zudem die schwachen Kriterien, die bei Stufe 1 nur knapp über dem gesetzlichen Standard liegen.
Unterste Label-Stufe legitimiert Tierqual
Die unterste Label-Stufe erlaubt beispielsweise Schweinen weiter die Ringelschwänze abzuschneiden, obwohl dies seit 25 Jahren in der EU verboten ist. Außerdem soll die Haltung auf Vollspaltenböden erlaubt bleiben sowie die monatelange Fixierung der Mutter-Säue im Kastenstand. Der Bundesverband Menschen für Tierrechte hatte schon lange im Vorfeld gewarnt, dass ein freiwilliges Label mit Kriterien, die Tierleid weiterhin festschreiben, ja sogar auszeichnen, lediglich einer Partei nützt: Der Fleischindustrie. Denn so wird Fleisch von Schweinen aus schlechten Tierhaltungsbedingungen aufgewertet.
Tiergerechtheit ist Verbrauchertäuschung
Es stimmt zwar, dass das Label bewirken könnte, dass einige Schweine etwas weniger qualvoll gehalten, transportiert und geschlachtet werden. Natürlich ist es gut, wenn die Schweine bei Stufe 3 endlich Auslauf im Freien haben. Aber dies wird höchstwahrscheinlich nur eine geringe Zahl von Schweinen betreffen. Denn man rechnet derzeit nur mit 20 bis 30 Prozent Marktdurchdringung. Und davon wird nur ein kleiner Teil die höchsten Kriterien erfüllen. Ob der Verbraucher an der Kühltheke wirklich zwischen den verschiedenen „Tierwohl“-Stufen differenzieren wird, ist zudem höchst fraglich. Bewirkt ein Label, das auf den ersten Blick mehr Tierwohl suggeriert, nicht, dass der Käufer auch beim Fleisch-Kauf der untersten Stufe ein gutes Gewissen hat? Ein bisschen weniger schlimm, bedeutet aber nicht gleich tierschutzgerecht. Ein Label, das Tierleid legitimiert, ist schlicht Verbrauchertäuschung.
Nötig: Verpflichtende Kennzeichnung für alle tierischen Produkte
Aktuelle Umfragen zeigen, dass die Mehrheit der Verbraucher das massive Tierleid bei der Produktion tierischer Produkte ablehnen. Ein wirkliche Leidensreduzierung hätte nur eine verpflichtende Haltungskennzeichnung für alle tierischen Produkte gebracht. Vorbild ist hier die 2004 eingeführte Haltungskennzeichnung von Schaleneiern. Seitdem transparent ist, welche Eier aus Käfighaltung kommen, sind diese faktisch aus den Supermarktregalen verschwunden. Wenn konsequent alle Fleisch- und Milchprodukte eindeutig und verpflichtend gekennzeichnet wären, könnte dies zu einem Wandel führen, von dem wirklich viele Tiere profitieren.
Grundproblem: Schweinehaltung ist verfassungswidrig
Doch es geht nicht nur um die verpflichtende Kennzeichnung und die Anhebung der Haltungsstandards für eine Label-Stufe. Den Tieren, wie in der untersten Labelstufe vorgesehen, 20 Prozent mehr Platz (knapp ein Quadratmeter für ein Schwein, das bis zu 110 Kilogramm wiegt) zuzugestehen oder ein Seil als (Pseudo-) Beschäftigungsmaterial anzubieten reicht nicht. Denn ein wenig mehr Platz ändert nichts am Grundproblem. Bei der Präsentation des Labels sagte Klöckner: „Man kann niemanden verpflichten, mehr zu tun, als das Gesetz es vorschreibt.“ Das ist richtig. Genau aus diesem Grunde steht Klöckner in der Pflicht, endlich strenge gesetzliche Vorgaben bei der Tierhaltung durchzusetzen. Die Politik kann die Verantwortung für die Bedingungen unter denen Tiere in Deutschland gehalten werden nicht einfach auf den Verbraucher abwälzen. Die Tatsache, dass das Land Berlin eine Normenkontrollklage zur Schweinehaltung eingereicht hat zeigt deutlich, wie groß der Nachbesserungsbedarf ist. Die Begründung der Berliner: Die schlechten Bedingungen in vielen deutschen Schweineställen verstoßen gegen das Tierschutzgesetz und gegen die Verfassung. Nun liegt die Hoffnung bei den Karlsruher Richtern.
„Nein“ zu Tierqualprodukten
Solange die Politik versagt, Produktion und Handel mit Tierqual-Produkten zu verbieten, kann nur der Verbraucher einen Wandel in Gang bringen. Wer Tierqual-Produkte boykottiert und stattdessen tierfreundliche Erzeugnisse kauft, sendet ein deutliches Zeichen an Handel und Produzenten. Je weniger Fleisch, Milch- sowie Ei-haltige Produkte gegessen werden, desto weniger Tiere werden (zumindest längerfristig) gequält. Dies ist noch nicht einmal schwer, denn es gibt heute ein reichhaltiges Angebot an tierfreundlichen und leckeren Produkten auf pflanzlicher Basis. Die gibt es inzwischen in jedem Supermarkt.