Seit die rot-grüne Landesregierung in Nordrhein-Westfalen 2017 von einer schwarz-gelben Koalition abgelöst wurde, geht es mit dem Tierschutz im bevölkerungsreichsten Bundesland bergab. Die traurige Bilanz: Das Ende der Tierschutz-Verbandsklage und des Ökologischen Jagdgesetzes, die Tierschutz-Skandale um die ehemalige Landwirtschaftsministerin Schulze Föcking sowie die umstrittene Abschaffung der Stabstelle Umweltkriminalität.
Der 19. Juni 2013 war ein Tierschutzfest. An diesem Tag überreichte der Bundesverband dem damaligen Umweltminister Johannes Remmel eine vegane Torte mit der Aufschrift „NRW gibt Tieren eine Stimme“. Grund war die erfolgreiche Abstimmung über die Einführung der Tierschutz-Verbandklage an diesem Tag. Seitdem sind mehr als fünf Jahre vergangen und von der Partystimmung ist nichts mehr übrig. Im Gegenteil: Seit nach der Landtagswahl im Mai 2017 CDU und FDP am Steuer des gewichtigen Bundeslandes stehen, werden die Tierschutz-Fortschritte der Vorgängerregierung Schritt für Schritt kassiert.
Missstände in Schweinemastanlage
Im Juli 2017 hatte die Sendung stern TV Filmaufnahmen veröffentlicht, die Tierschutzaktivisten im März und Juni im Betrieb der ehemaligen NRW-Landwirtschaftsministerin Christina Schulze Föcking (CDU) gemacht hatten. Zu sehen waren Schweine mit Bissverletzungen, großen, eitrigen Wunden und schweren Entzündungen u. a. von Gelenken. Die Tiere wurden offenbar zu spät und ungenügend versorgt. Das Veterinäramt in Steinfurt gab an, bei einer Kontrolle der Ställe keine Tierschutzverstöße festgestellt zu haben. Daraufhin erstatteten Menschen für Tierrechte und Animal Rights Watch Anzeige. Beide Anzeigen wurden mittlerweile eingestellt.
Abschaffung der Stabsstelle Umweltkriminalität
Im März 2018 folgte dann die Abschaffung der bundesweit einmaligen Stabsstelle Umweltkriminalität im NRW-Landwirtschaftsministerium. Die Begründung: Die Stabsstelle habe sich zuletzt mehr um Artenschutz als um Umweltkriminalität gekümmert. Recherchen des WDR ergaben jedoch, dass die Stabstelle über 660 Ordner voller Umweltskandale verfügte und sich erfolgreich mit der Aufklärung und Verfolgung zahlreicher Umweltskandale beschäftigt hatte. Besonders brisant war die Tatsache, dass sich die Stabsstelle vier Wochen vor ihrer Auflösung mit der umstrittenen Schweinehaltung auf dem Hof der Schulze Föckings beschäftigte. Aus Tierschutzsicht wog das Ende der Stabsstelle auch deswegen schwer, weil sie sich auch für Greifvogel- und den Fischschutz in NRW eingesetzt hatte. Es zeigt sich jetzt, dass nach dem Wegfall der Stabsstelle die Strafverfolgung in diesen Bereichen geschwächt wurde.
Aus für die Tierschutz-Verbandsklage
Dass die Tierschutz-Verbandsklage ganz oben auf der Abschluss-Liste der Landesregierung stand war schon 2017 klar, als die CDU-Antrag einen Gesetzentwurf zur Aufhebung des von der rot-grünen Vorgängerregierung eingeführten Verbandsklagerechtes einbrachte. Die fehlerhaften Begründungen waren ein Vorgeschmack, wohin die ideologische Reise mit Schwarz-Gelb gehen würde. So kam es dann auch Ende 2018. Trotz des erbitterten Widerstandes der Tierschutzverbände, wie dem Bundesverband, lies die schwarz-gelbe Landesregierung das Verbandsklagerecht für Tierschutzvereine zum 31. Dezember 2018 auslaufen. Denn das unter der rot-grünen Vorgängerregierung eingeführte Gesetz lief zum Jahresende aus, wenn es nicht aktiv verlängert wurde. Im Vorfeld hatten die Tierschutz-Verbände im Rahmen einer Landespressekonferenz eindringlich vor den Folgen eines Auslaufens des Klagerechtes gewarnt und 76.000 Unterschriften für den Erhalt der Tierschutz-Verbandsklage übergeben – leider ohne Erfolg.
NRW: Erstes Bundesland, das Verbandsklagerecht abschafft
Damit ist NRW das erste Bundesland, das das hart erkämpfte Verbandsklagerecht für Tierschutzvereine wieder abschafft. Und das wiegt schwer, denn die Mitwirkungsrechte mit Klagemöglichkeit sind elementar, um einen Vollzug des Tierschutzgesetzes überhaupt ansatzweise garantieren zu können. Zudem ist die Verbandsklage das einzige geeignete Instrument, um das Staatsziel Tierschutz aus Artikel 20 a Grundgesetzes umzusetzen. Die immer wieder belegten skandalösen Vollzugsdefizite im Tierschutz zeigen deutlich, wie wichtig das Instrument der Verbandsklage ist. Nun fehlt das nötige Instrument, um festzustellen, ob Entscheidungen mit den Regelungen des Tierschutzgesetzes konform gehen.
Laufende Gerichtsverfahren eingestellt
Zudem werden durch den Wegfall des Gesetzes fünf laufende anhängige Gerichtsverfahren eingestellt, die eine hohe Tierschutzbedeutung für das Land NRW und darüber hinaus haben. So entfällt etwa die gerichtliche Prüfung, ob die derzeitige konventionelle Putenhaltung oder die Haltung von Schweinen in Kastenständen mit den Regelungen des Tierschutzgesetzes vereinbar sind. Weder in den Parlamentsdebatten noch im Dialog mit den Tierschutzverbänden brachte die Landesregierung fachlich zwingende Gründe für die Nicht-Verlängerung des Gesetzes vor. Es war auch keine Bereitschaft erkennbar, gemeinsam über eine Novellierung des Gesetzes zu beraten.
Abschaffung ist „Rückschritt in der Rechtskultur“
Das Ende des Verbandsklagegesetzes ist ein skandalöser Rückschritt in der Rechtskultur. Dies wird nicht nur von Rechtswissenschaftlern bestätigt, sondern auch vom wissenschaftlichen Beirat für Agrarpolitik. Im Gutachten „Wege zu einer gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung“ bezeichnet das Expertengremium des Bundeslandwirtschaftsministeriums die Einführung der Tierschutz-Verbandsklage als „unentbehrliches Instrument zur Umsetzung des Staatsziels Tierschutz“. Durch den aktuellen Beschluss der Landesregierung im Dezember 2018 gibt es seit dem 1.1.2019 für anerkannte Tierschutzverbände in NRW keine Möglichkeit mehr, Interessen der Tiere im Rahmen bestimmter behördlicher Entscheidungen notfalls gerichtlich überprüfen zu lassen.
Landesjagdgesetz: Kniefall vor der Jägerlobby
Bei der derzeitigen Neufassung des Landesjagdgesetzes NRW werden al-
ler Voraussicht nach – entgegen den eindeutigen Stellungahmen der Tier- und Naturschutz-
verbände – in eklatanter Weise grundlegende Anliegen des Tier- und Naturschutzes ignoriert.
Festzuhalten ist, dass das Gesetz durch die geplante Neufassung seine bis dato bundesweit
fast einmalige ökologische und ethische Ausrichtung einbüßt. Zukünftig sollen artgeschützte
Tiere wie Wildkatze oder Fischotter dem Jagdrecht zugeordnet werden, ohne dies fachlich zu
begründen. Es wird möglich sein, bestimmte Tierarten wie Höckerschwan oder Elster zu töten, wofür kein plausibler Grund (bzw. „vernünftiger Grund“ im Sinne des Tierschutzgesetzes) geltend gemacht werden kann. Bestimmte Jagdmethoden, die von der Vorgängerregierung aus Gründen des Tierschutzes explizit untersagt wurden, wie die Jagd auf den Fuchs im Naturbau, werden ohne valide Darlegung einer etwaigen Notwendigkeit wieder zugelassen. Die Landesregierung wird aller Voraussicht nach auch die Lockjagd auf Rabenkrähen außerhalb der Einzeljagd („crow-busting“) wieder zulassen, auch wenn dies weder ethisch noch fachlich vertretbar bzw. begründbar ist. Ebenso unverständlich ist, dass bei Gesellschaftsjagden der Nachweis einer besonderen Schießfertigkeit zukünftig wieder entfällt und durch einen „Schießübungsnachweis“ ersetzt wird, obwohl dies den Interessen der öffentlichen Sicherheit und des Tierschutzes klar entgegensteht.
NRW steht vor tierschutzpolitischem Scherbenhaufen
Der Bundesverband hatte, gemeinsam mit den anderen Verbänden, alles getan, um diese Rückschritte aufzuhalten. Er übergab der amtierenden Landwirtschaftsministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) unter anderem eine Erklärung, die diese katastrophale Entwicklung im Land deutlich machte. Leider könnte es sogar noch schlimmer kommen: NRW-Ministerpräsident Armin Laschet stellt – nach den Diesel-Fahrverboten und dem Rodungsstopp im Hambacher Forst – nun auch noch das Klagerecht für Umweltverbände in Frage. Dennoch ist klar: Die Rückschritte verlangsamen Tierschutzentwicklungen, aber sie bremsen sie keinesfalls komplett aus. Die Landesregierung wird noch feststellen, dass sie sich mit dieser einseitigen Klientelpolitik keinen Gefallen tut. Sie kann den gesellschaftlichen Wertewandel nicht einfach ausbremsen. Der Tierschutz muss wieder die demokratischen Mittel einsetzen, die vor der Verbandsklage erfolgreich waren. Konkret heißt das: Lobby- und Öffentlichkeitsarbeit und Proteste gegen die Tierschutzskandale.