Gentechnik Tierversuche

Weniger Tierleid durch bessere Technik?

Das aktuelle Gene-Editing-Werkzeug der Wahl ist das sogenannte CRISPR/Cas-System (1), eine Art zielgerichtete „Gen-Schere“, mit der das Erbgut einer Zelle sehr viel präziser verändert werden kann, als mit älteren Techniken. Damit ist auch die „Erfolgsrate“ bei der Herstellung gentechnisch veränderter Tiere gestiegen. Doch dies bedeutet nicht automatisch weniger Leid für die Tiere – im Gegenteil.

Im Allgemeinen entspricht das Gene-Editing dem Prinzip der 3R, dem Grundsatz der Reduktion oder Verminderung von Tierversuchen. Denn wegen der präzisen Arbeitsweise müssen weniger Tiere sterben, um ein Tier mit den gewünschten genetischen Eigenschaften zu erhalten. Die Realität sieht jedoch leider anders aus. Denn da mit den neuen Methoden viel mehr neue, sogenannte Tiermodelle geschaffen werden, übersteigen diese die Zahl der eingesparten Tiere. Dieser Gentechnik-Boom spiegelt sich in den stetig steigenden Zahlen gentechnisch veränderter Tiere wider.

Weiße Ratten im Labor. Foto: AdobeStock_9622186

Kein Wundermittel gegen Tierleid
Auch mit den neuen Gen-Scheren ist der Tierverbrauch für die Herstellung eines solchen Tiers enorm hoch und variiert stark zwischen den Spezies. Hinzu kommt, dass es unterschiedliche Möglichkeiten gibt, die neuen Werkzeuge einzusetzen. Die bisherige Standard-Methode sieht vor, dass befruchtete Eizellen, also Embryonen, in vitro gentechnisch manipuliert und anschließend von einer Leihmutter (Ammentier) ausgetragen werden. Die überlebenden Jungtiere weisen meist noch nicht den gewünschten Genotyp aus. Nur manche von ihnen tragen die gewünschten Genvarianten (Allele) und müssen anschließend noch aufwändig rückgekreuzt werden, um sicher zu gehen, dass die Zielvariante auch auf die Nachkommen übertragen wird. Je nach Kombination fallen dabei unterschiedlich viele „Überschusstiere“ an. Da es für diese meist keine weitere Verwendung gibt, werden sie aus Kostengründen getötet. Ebenso müssen die Eizellen-Spendertiere sterben (siehe Tabelle).

Manipulation im Mutterleib
Es gibt bei Mäusen auch die Möglichkeit, die Embryonen bereits im Mutterleib zu manipulieren. Hier sind dann Eizell-Spendertiere und Ammentiere das gleiche Tier und die Embryonen müssen nicht erst eingepflanzt werden, sondern entstehen durch Verpaarung. Das spart einige wenige Tiere ein, dafür ist der operative Eingriff zur Genmanipulation an den Muttertieren schwerer, als bei der bloßen Embryotransplantation.

Fluoreszenz durch gentechnische Veränderung: Links und rechts eine grün fluoreszierende Maus unter UV-Licht. In der Mitte eine Maus ohne Grünfluoreszierendes Protein (GFP). Quelle (2)

Embryos aus manipulierten embryonalen Stammzellen
Eine weitere Möglichkeit, Tiere genetisch zu verändern, ist die Nutzung embryonaler Stammzellen (ES-Zellen). Diese können in vitro gentechnisch verändert und anschließend in einen Embryo gepflanzt werden, der sich im 4- oder 8-Zellstadium befindet. Dieser wird ebenfalls in eine Leihmutter verpflanzt. Der Unterschied ist hier, dass es Jungtiere gibt, die schon genau die gewünschten Allel-Kombinationen besitzen und diese auch vererben können. Diese Methode dauert aufgrund der Nutzung von ES-Zellen länger, aber es kann im besten Fall auf langwierige und tierverbrauchsintensive Rückkreuzungen verzichtet werden.

Amputation zur Erfolgskontrolle
In jedem Fall müssen alle geborenen Jungtiere leiden, wenn ihnen für die sogenannte Genotypisierung Gewebe entnommen wird. Üblich ist entweder die Amputation einer Zehe oder das Ausstanzen eines Stückchens vom Ohr (Toe- oder Ear-Clipping), manchmal wird auch ein Stückchen Schwanz abgeschnitten.

Reduktion von Tierversuchen
muss konsequent verfolgt werden Unabhängig davon, welche Methode verwendet wird, bedeutet die Entwicklung jedes neuen „Tiermodells“, dass zahlreiche Tiere „genutzt“ und die meisten frühzeitig getötet werden oder noch vor der Geburt sterben. Dies ist ein sehr hoher, ein zu hoher Preis für die Tiere. Deswegen fordert der Bundesverband, dass die ethische Güterabwägung solcher Projekte äußerst streng sein muss. Zudem müssen gezielt tierleidfreie Forschungsmodelle entwickelt und verpflichtend vorgeschrieben werden, um zunächst eine Reduktion von Tierversuchen und perspektivisch die Abschaffung dieser genetischen Manipulationen zu erreichen.


Weitere Informationen

(1) CRISPR/Cas: CRISPR/Cas ist eine molekularbiologische Methode, um DNA gezielt zu schneiden und zu verändern (Genome Editing). Gene können mit dem CRISPR/Cas-System eingefügt, entfernt oder ausgeschaltet werden. CRISPR steht für Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats, also kurze, sich wiederholende DNA-Sequenzen. Diese werden synthetisch hergestellt und so gestaltet, dass sie gezielt auf eine bestimmte Stelle im Ziel-Genom passen. Gekoppelt an ein Cas-Protein, das die DNA schneidet, kann der Komplex so ganz bestimmte Abschnitte im Genom finden und ausschneiden. Zelleigene Reparaturmechanismen reparieren dann die entstandene Lücke. Durch die Zugabe von synthetisch hergestellten DNA-Sequenzen, die genau in das entstandene Loch passen, können diese neu eingebaut werden. Dadurch können entweder einfach Genomabschnitte entfernt oder punktgenau verändert werden.

(2) Ingrid Moen, Charlotte Jevne, Jian Wang, Karl-Henning Kalland, Martha Chekenya, Lars A Akslen, Linda Sleire, Per Ø Enger, Rolf K Reed, Anne M Øyan and Linda EB Stuhr: Gene expression in tumor cells and stroma in dsRed 4T1 tumors in eGFP-expressing mice with and without enhanced oxygenation. In: BMC Cancer. 2012, 12:21. doi:10.1186/1471-2407-12-21, PDF.