Gentechnik Tierversuche

Kein Allheilmittel: Genetisch veränderte Tiermodelle

Jährlich steigt die Nutzung genetisch veränderter Tiere in der biomedizinischen Forschung. Dabei stellt sich jedoch stets die Frage: Muss man etwas tun, nur weil man es kann?

Produktion und Handel mit sogenannten Tiermodellen ist ein weltweites Geschäft. Die Frage, ob dies ethisch gerechtfertigt ist, wird dabei selten gestellt.

Nachträgliche Bewertung essenziell
Zur Entstehung und Heilung neurodegenerativer Krankheiten wird schon seit Jahren mit genetisch veränderten Tiermodellen geforscht – mit verschwindend geringem Erfolg. Immer mehr Arbeitsgruppen nehmen sich aktuell solcher Probleme an und nutzen komplexe Analysemethoden, um Forschungsergebnisse und Strategien nachträglich zu bewerten. Ergebnisse dieser Analysen können Hinweise geben, ob gewisse Ansätze schon in der Vergangenheit erfolglos waren und so im besten Fall weitere Fehlschläge verhindern. Für Forscher, die an Tieren forschen, sind solche Rückblicke besonders relevant, da es gilt, so viel Tierleid wie möglich zu verhindern.

Das eingeschränkte Immunsystem der Nacktmäuse bewirkt, dass sie keine Abstoßungsreaktionen zeigen, wenn ihnen beispielsweise Gewebeteile von Tumoren implantiert werden. Die Tiere werden nach den Versuchen getötet und untersucht. Foto: istockphoto/littlepeggy

Unzählige Unterschiede zwischen Mensch und Tiermodell
Aber woran liegt es, dass beispielsweise ein potenzieller neuer Wirkstoff im genetisch veränderten Tiermodell vielversprechend aussieht, jedoch im menschlichen Patienten versagt? Neben den offensichtlichen Speziesunterschieden zwischen Mensch und Tier,die einem sofort in den Sinn kommen, wie zum Beispiel die Physiologie, Lebensführung oder der Einfluss von Umweltfaktoren auf die menschliche Gesundheit, gibt es auch molekularbiologische Schwierigkeiten mit solchen Modellen.

Krankheit: Mehr als ein Gen Schuld
Meist ist es nämlich nicht ausreichend, einfach nur ein bestimmtes Gen entsprechend dem menschlichen Patienten zu verändern. Mehr und mehr Krankheiten wie beispielsweise Multiple Sklerose, Alzheimer, oder Muskeldystrophien gehen auf Veränderungen im Genom zurück, die sich auch auf sogenannten nicht-kodierenden Sequenzen befinden. Die sind Bereiche der DNA, auf denen keine definierten Gene beschrieben sind. Diese Regionen haben oft regulatorische Funktion und es ist teilweise nicht genug über die genaue Funktionsweise bekannt, als dass man die Situation wirklich in einem Tier künstlich nachstellen könnte.

Unterschiede im System
Des Weiteren ist es möglich, dass im Tiermodell ein Mangel an human-spezifischen, zelleigenen Aktivierungsfak-oren herrscht, die für die Wirksamkeit eines Arzneistoffes essentiell sind. Oder die Arzneien können im Tiermodell nicht entsprechend „biotransformiert“, also in die letztlich wirksame Form umgewandelt werden und wirken deshalb nicht. Genauso kann es sein, dass im Tiermodell wirksame Substanzen im Menschen inaktiviert werden. Es kann auch passieren, dass ein möglicher neuer Wirkstoff im Menschen nicht in die Zielregion transportiert werden kann, obwohl dies im Tiermodell möglich war.

Gentechnik-Trend muss gestoppt werden
Aufgrund dieser vielen möglichen Fallgruben ist es umso wichtiger, dass sich Wissenschaftler umfassend mit den bekannten Fakten zu den Vorgängen der Zielkrankheit befassen und eine realistische Prognose über den zu erwartenden Erkenntnisgewinn erstellen, bevor sie die Entwicklung eines neuen Modells planen. Dies alles muss in die strenge, ethische Abwägung zur Genehmigung solcher Forschungsvorhaben miteinfließen, um kurzfristig weiteres Tierleid zu minimieren und den gegenwärtigen Trend zu stoppen. Langfristig ist das Ziel, nicht mehr an künstlich krank gemachten Tieren zu forschen, sondern weitere leidfreie humanspezifische Methoden zu entwickeln und einzusetzen.