Pferde werden mit allerlei Methoden und Hilfsmitteln zu bestimmten Verhaltensweisen oder Körperhaltungen gezwungen. Der Markt für Pferdezubehör ist riesig. Für fast jede „Unart“ des Pferdes gibt es ein passendes Hilfsmittel. Dies schadet nicht nur dem Pferd, sondern auch der Beziehung zwischen Mensch und Tier.
Ob im heimischen Stall, auf kleinen Dorfturnieren oder bei internationalen Meisterschaften, fast überall können aggressive Reit- und Ausbildungsmethoden beobachtet werden. Und diese werden schon früh angewendet. Eigentlich ist ein Pferd erst in einem Alter von fünfeinhalb bis acht Jahren ausgewachsen. Trotzdem werden die meisten schon in einem Alter von drei Jahren oder früher eingeritten und nehmen bereits mit vier Jahren an Turnieren teil. Rennpferde werden sogar schon mit eineinhalb Jahren trainiert. Dies kann zu Schäden am gesamten Körperbau führen, da sich die Wachs
tumsfugen des Pferdeskeletts erst nach mehreren Jahren schließen, die der Wirbelsäule zuletzt. Die Ausbildung von Pferden erfolgt meist über die Methode der „negativen Verstärkung“. Das heißt, die Tiere lernen durch das Wegfallen unangenehmer Reize. Dabei wird der negative Reiz, beispielsweise durch eine Gerte, so lange weiter verstärkt, bis das Pferd die gewünschte Reaktion zeigt. Dann wird der Druck beendet. Das Lernen über negative Verstärkung erzeugt beim Pferd häufig Stress, Unwohlsein oder sogar Schmerzen. Zudem schadet es der Beziehung zwischen Mensch und Tier.
Rollkur: Unnatürlich und schädlich
Im Pferdesport wird mit allen Mitteln versucht, möglichst schnell eine hohe Platzierung zu erreichen. Nach den offiziellen Regeln der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) sollte beispielsweise die Stirn-Nasen-Linie des Pferdes beim Reiten vor oder maximal an der Senkrechten liegen. Das Genick stellt dabei den höchsten Punkt dar. In der Praxis jedoch findet man auf Reitsportturnieren regelmäßig am Maul eng verschnürte Pferde, die mit stark aufgerolltem Hals und teilweise bis auf die Brust gezogener Nase auf ihren Start vorbereitet werden. Diese sogenannte Rollkur wird von vielen Reitern als moderne Ausbildungsmethode verstanden. Doch das Pferd kann dadurch physischen und psychischen Schaden nehmen, weil durch diese unnatürliche Haltung Muskeln und Bänder des Halses stark überdehnt werden und die Wirbelsäule belastet wird. Mögliche Folgen sind Rückenprobleme, Verspannungen sowie Fehlbelastungen, Durchblutungsstörungen und Entzündungen. Das Zusammendrücken des Kehlkopfes kann bei den Pferden zudem zu Atemnot führen. Die Tiere werden ängstlicher, weil ihr Sichtfeld stark eingeschränkt ist. Mit eingerolltem Hals gerittene Pferde zeigen sehr viel häufiger Verhaltensweisen, die auf Stress, Schmerzen, Frustration und Unwohlsein hindeuten. Obwohl diese Form des Reitens laut dem Regelwerk der FN nicht pferdegerecht ist, wird sie von Wettkampfrichtern, Stewards und Tierärzten meist geduldet. So werden auf den Vorbereitungsplätzen circa 70 Prozent der Pferde mit der Stirn-Nasen-Linie deutlich hinter der Senkrechten geritten.
Problematischer Gebisseinsatz
Um die Ausbildungszeit zu verkürzen, schlechtes Reiten zu kompensieren oder um die Tiere unter Kontrolle zu halten, greifen viele Reiter auf unterschiedliche Mittel zurück. So gibt es unzählige Varianten von Gebissen, die im empfindlichen Pferdemaul großen Schaden anrichten und sehr schmerzhaft sein können. Am Kopf sowie im Maul des Pferdes liegen eine Vielzahl empfindlicher Nervenenden. Die Zugkraft, die beim Einwirken auf die Zügel entsteht, wird häufig unterschätzt. Bereits bei einem gerade gespannten Zügel können Kräfte um die 15 kg auf die Zunge wirken. Werden Pferde mit Gebiss geritten, können häufig Abwehrreaktionen beobachtet werden. Der emeritierte Professor Robert Cook von der Tufts University in Massachusetts forschte viele Jahre über die physischen und psychischen Auswirkungen von Gebissen bei Pferden. Er beschreibt Gebisse als „invasiv, physiologisch kontraindiziert und kontraproduktiv“. Sie verursachen Furcht, Schmerzen, Verletzungen, schränken die Atmung ein und sind Ursache für unzählige Verhaltensprobleme.