Seit Anfang der 1990er ist der Begiff „Zoochose“ geläufig, zusammengesetzt aus den Wörtern „Zoo“ und „Psychose“, als Sammelbezeichnung für gestörtes Verhalten von Zootieren, das Tiere der gleichen Art in Freiheit nicht zeigen und das insofern auf die Gefangenhaltung im Zoo zurückzuführen ist.
Zoochotische Verhaltensauffälligkeiten, so die Argumentationslinie der heutigen Zoos, wie es sie zu früheren Zeiten vielleicht gegeben haben mag, seien dank verbesserter pflegerischer und veterinärmedizinischer Betreuung und vor allem: aufgrund „kognitiver Anreicherung“ der Gehege praktisch nicht mehr anzutreffen. Tatsächlich ist das genaue Gegenteil der Fall.
Symptome zoochotischer Störungen
Bei einer Untersuchung des Great Ape Project von 2014 in den Affenhäusern der Republik zeigte sich, dass jeder zweite der in den Blick genommenen erwachsenen Menschenaffen augenfällige Symptome zoochotischer Störungen aufwies. In praktisch jedem der besuchten Zoos waren betroffene Tiere vorzufinden, die, in mehr oder minder ausgeprägter Form, die gesamte Bandbreite zootypischer Stresssymptome und Verhaltensstörungen aufwiesen: Bewegungsstereotypien, Agitiertheiten, Essstörungen, Hyperaggressivität, Selbstmutilation, Angststörungen, Apathie etc.
Gefangenhaltung macht Tiere psychisch krank
In einer weiteren Studie der University of Kent kamen die Wissenschaftler zu dem Schluß, dass abnormales Verhalten bei in Zoos gefangengehaltenen Schimpansen offenbar endemisch auftritt. In ihrer Untersuchung von sechs in britischen bzw. US-amerikanischen Vorzeigezoos gehaltenen Schimpansengruppen fanden sie bei sämtlichen beobachteten Individuen krankheitswertige Verhaltensstörungen. Andere Studien gehen in dieselbe Richtung: Es kann kein ernsthafter Zweifel mehr daran bestehen, dass die Gefangenhaltung und Zurschaustellung von Wildtieren in Zoos die Tiere psychisch krank macht.
Zootierärzte oft nicht ausreichend qualifiziert
Zootierärzte sind mit Blick auf psychische Auffälligkeiten der von ihnen zu betreuenden Tiere nicht bzw. nicht ausreichend qualifiziert: weder in ihrem Studium noch in ihrer Facharztausbildung (sofern sie solche überhaupt absolvieren) werden sie dazu befähigt, zoochotische Störungen zu diagnostizieren bzw. fachgerecht zu behandeln. Erschwerend kommt hinzu, dass sie ihre Patienten viel zu selten zu Gesicht bekommen, um Verhaltensauffälligkeiten wahrnehmen zu können. Sie sind insofern auf Hinweise der Pfleger angewiesen, die ihrerseits keinerlei klinische Kompetenz mitbringen.
Selbst eklatanteste Verhaltensauffälligkeiten bleiben deshalb oft über Jahre hinweg unbemerkt und unbehandelt. Nur bei agitiertem bzw. aggressivem Verhalten wird eingegriffen, das, selbst dem Laien unübersehbar, ebendeshalb medikamentös „gedämpft“ wird: die Besucher sollen keine „überdrehten“ Tiere zu sehen bekommen und schon gar keine, die einander attackieren.
Was unternehmen die Zoos dagegen?
Sofern „aggressive“ Tiere nicht isoliert bzw. „hinter den Kulissen“ verwahrt werden können und Kastrieren keine Option darstellt (weil sie womöglich zu „Zuchtzwecken“ gebraucht werden), werden sie „ruhiggestellt“: Zootierärzte verschreiben insofern massenhaft Psychopharmaka. Nach übereinstimmender Aussage von „Insidern“ (PraktikantInnen, Azubis, ehemalige TierpflegerInnen) lagern in den Futterküchen der einzelnen Reviere teils riesige Mengen an Diazepam (=Valium o.ä.) und/oder anderen Tranquilizern, die von den Pflegern nach Gutdünken, sprich: ohne tierärztliche Einzelfallverordnung, verabfolgt werden.
Tranquilizer als Dauermedikation
Während der kalten Jahreszeit, in der die Tiere über Monate hinweg auf die teils extrem beengten Innenräume beschränkt sind, wird ihnen zur Dämpfung von Spannungs- und Erregungszuständen, vielfach als „Dauermedikation“, Diazepam verabreicht; mancherorts werden unterschiedslos auch Neuroleptika (Haloperidol o.ä.) oder Hormonpräparate (Tardastrex o.ä.) eingesetzt. Von korrekter Buchführung über den Verbrauch der verschreibungspflichtigen Medikamente kann keineswegs in allen Zoos die Rede sein. Vielfach, gerade in kleineren Zoos, in denen es keinen festangestellten Zooveterinär gibt, wird überhaupt kein Medikamentenbuch geführt bzw. keine ernstzunehmende Kontrolle ausgeübt.
Medikation unter Verschluß
Seitens der Zoos wird der massenhafte Einsatz von Psychopharmaka seit je und mit Nachdruck abgestritten. Im Jahre 2011 allerdings gelang es der international tätigen Whale and Dolphin Conservation Society (WDCS), den Tiergarten Nürnberg und damit einen der renommiertesten Zoos der Republik zu überführen: nach jahrlangem juristischem Tauziehen wurde ein höchstrichterlicher Beschluss erwirkt, der den Zoo verpflichtete, Einblick nehmen zu lassen in die bis dahin streng unter Verschluß gehaltene Medikation seiner Delfine. Es stellte sich heraus, dass (im offengelegten Zeitraum der zurückliegenden fünf Jahre) den Tieren immer wieder und in teils immensen Dosen Diazepam verabfolgt worden war; dazu wurden sie fortlaufend mit Antibiotika, Antimykotika, Hormonpräparaten, Immunstimulantia, Präparaten gegen Magen-/Darmgeschwüre, Schmerzmitteln und unzähligen anderen Medikamenten vollgestopft, was darauf hindeutet, dass sie, entgegen aller Behauptungen des Zoos, psychisch und körperlich schwer krank sind.
(Ergänzung zum dem Interview „Zoos sind und bleiben Gefängnisse!“ mit dem Wissenschaftsjournalist Colin Goldner)