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22. Juni 2018: Botox-Aktionswoche: Neue Botox-Tests müssen Tierversuche komplett ersetzen

Beim LD50-Test wird Mäusen das Nervengift in die Bauchhöhle gespritzt, um die Konzentration zu ermitteln, bei der die Hälfte der Tiere stirbt. Die Tiere leiden bis zu vier Tagen unter qualvollen Krämpfen und ersticken letztlich, da das Gift zu einer Atemlähmung führt.

Anlässlich der diesjährigen Botox-Aktionswoche (1), vom 25. Juni bis 1. Juli, hat der Bundesverband Menschen für Tierrechte eine Bestandsaufnahme zum Entwicklungsstand der tierversuchsfreien Botox-Testverfahren gemacht. Der Verband begrüßt, dass auch der dritte Hersteller des Faltenmittels, die Firma Ipsen, kurz vor der Zulassung eines tierfreien Tests steht. Kritik übt der Tierrechtsverband jedoch an der Tatsache, dass trotz existierender Alternativen noch immer Mäuse in qualvollen Produktsicherheitstests eingesetzt werden. Er ruft Wissenschaft sowie die kosmetische und pharmazeutische Industrie dazu auf, auch hierfür tierleidfreie Tests zu entwickeln.

Alle Hersteller des Faltenmittels Botox haben in den letzten Jahren tierversuchsfreie Verfahren mit menschlichen Zellen entwickelt, um die qualvollen LD50-Tests (2) mit Mäusen für die Testung ihrer Botox-Produkte zu beenden (3). Mit diesen neuen Tests können 80 bis 85 Prozent der ursprünglichen Tierversuche ersetzt werden. „Doch warum nicht 100 Prozent?“, fragte der Bundesverband Menschen für Tierrechte. Warum wurden 2018 allein in Deutschland Anträge für mehr als 8.500 Mäuse für Tests auf Botulinumtoxin Typ A genehmigt? Um Antworten auf diese Fragen zu erhalten, hat der Tierrechtsverband das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) befragt sowie die Hersteller kontaktiert.

Tierversuche trotz tierfreier Tests
Hintergrund für den weiteren Einsatz von Mäusen in LD50-Tests sind laut BfArM unter anderem die gesetzlichen Vorschriften für Bulktests. Bei Bulktests handelt es sich um Tests an Halbfertigware oder noch nicht formuliertem Wirkstoff vor Abfüllung (4). Aber auch für Stabilitätsprüfungen und sogenannte Prozessvalidierungsstudien fallen noch Mäusetests an.

Da das Botulinumtoxin sogar in Nanogrammkonzentration höchst toxisch ist, verlangen die Behörden auch weiterhin diese Tests an der Maus. Alle alternativen Verfahren böten nicht die absolute Referenz wie der LD50, sondern müssten immer wieder darauf bezogen werden, teilte die Firma Merz auf Anfrage mit. Die tierfreien Verfahren dürfen dagegen nur für die Chargenprüfung genutzt werden, um Stabilität und Konzentration in kleinsten Dosen zu testen. Ein weiterer Grund für die Tierzahlen ist eine Vermarktung im außereuropäischen Ausland, wo die neuen Zelltests noch nicht anerkannt sind.

Notwendig: Ersatzverfahren für Produktsicherheitstests
„Wir begrüßen, dass mittlerweile alle Hersteller tierfreie Verfahren für die leidvollen Botox-Tests entwickelt haben. Das ist ein großer Erfolg. Damit Botox jedoch wirklich tierversuchsfrei ist, müssen dringend Ersatzverfahren für die Stabilitätsprüfungen und die Prozessvalidierungsstudien entwickelt werden“, folgert Dr. Christiane Hohensee, Leiterin von InVitro+Jobs beim Bundesverband Menschen für Tierrechte. Der Verband fordert anlässlich der diesjährigen Botox-Aktionswoche die Wissenschaft, sowie die kosmetische und pharmazeutische Industrie dazu auf, tierleidfreie Tests für die sogenannten Bulktests zu entwickeln und dafür ausreichend Fördermittel bereitzuhalten. An die VerbraucherInnen appelliert der Tierrechtsverband, solange auf tierleidfreie Alternativen zur Faltenbehandlung umzusteigen, bis auch die restlichen Tierversuche ersetzt worden sind.

Mit einer Online-Petition fordert der Verband die Hersteller auf, tierleidfreie Tests für die sogenannten Bulktests zu entwickeln.

(1) An der EU-weiten Aktionswoche gegen Botox-Tierversuche, die von der Partnerorganisation des Bundesverbandes, der Europäischen Koalition zur Beendigung von Tierversuchen (ECEAE) organisiert wird, beteiligen sich Gruppen aus ganz Europa. Die Botox-Aktionswoche wird seit mehreren Jahren durchgeführt, um auf das Leid von Mäusen in LD50-Tersts und noch fehlende Verfahren aufmerksam zu machen. Während dieser Zeit haben die Firmen Allergan, Merz und Ipsen tierversuchsfreie Tests zur Chargenprüfung entwickelt. Zwei sind bereits anerkannt und werden angewendet.
(2) Beim LD50-Test wird den Mäusen das Nervengift in verschiedenen Verdünnungen in die Bauchhöhle gespritzt, um die Konzentration zu ermitteln, bei der die Hälfte der Tiere stirbt. Die Tiere leiden bis zu vier Tagen unter qualvollen Krämpfen und ersticken letztlich, da das Gift zu einer Atemlähmung führt.
(3) Allergan hat bereits 2011 eine Zulassung für ein In-vitro-Verfahren zur tierversuchsfreien Botox-Testung erhalten. Der deutsche Pharmahersteller Merz folgte 2015. Inzwischen hat auch Ipsen eine positive Einschätzung von den europäischen Regulationsbehörden für einen Zelltest vorliegen.
(4) In sogenannten Bulktests an der Maus wird der in der entsprechenden Formulierung gelöste Wirkstoff zur Abfüllung bei der Herstellung des Fertigprodukts überprüft. Die Ersatzverfahren dürfen dagegen nur für die Chargenprüfung genutzt werden, um Stabilität und Konzentration in homöopathisch kleinen Dosen zu testen.

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Pressestelle:
Christina Ledermann
Tel.: 0211/16345429
Mobil: 0179/450 46 80
E-Mail: ledermann@tierrechte.de

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Menschen für Tierrechte – Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.
Neue Geschäftsstelle: Mühlenstr. 7a, 40699 Erkrath
Tel: 0211 / 22 08 56 48, Internet: www.tierrechte.de

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Der Bundesverband Menschen für Tierrechte setzt sich seit seiner Gründung 1982 auf rechtlicher, politischer, wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Ebene für die Anerkennung elementarer Tierrechte ein und kämpft gegen jeglichen Missbrauch von Tieren. Das langfristige Ziel ist eine grundsätzliche Veränderung des Mensch-Tier-Verhältnisses. Dem Dachverband mit Hauptsitz in Erkrath (früher Aachen) sind über 60 Vereine sowie private Fördermitglieder angeschlossen. Seine Stärke liegt im Zusammenwirken von Seriosität, Fachwissen und Lobbyarbeit auf höchster politischer Ebene. Dazu verfolgt der Verband einen Masterplan zum Ausstieg aud dem Tierversuch und eine Agrarwende von der tierischen zur pflanzlichen Eiweißproduktion, um das Ende der „Nutztier“-Haltung zu erreichen. Darüber hinaus ernennt der Verband beispielsweise das „Ersatzverfahren bzw. Replace des Jahres“ sowie das: „Versuchstier des Jahres“, betreibt die Wissenschaftsplattform InVitro+Jobs für eine konsequente Förderung der tierversuchsfreien Forschung und setzt sich mit dem Projekt SATIS für eine humane Ausbildung ein. Weitere Arbeitsschwerpunkte sind die Etablierung der Tierschutz-Verbandsklage, eine tierlose bio-vegane Landwirtschaft sowie die Aufnahme von Tierrechten in die Lehrpläne von Schulen. Der Verband gibt viermal im Jahr das Magazin tierrechte heraus. Neben einem Themenschwerpunkt informiert die Zeitschrift Journalisten, Wissenschaftler, Politiker, Behörden und Verbandsmitglieder über aktuelle Entwicklungen in der politischen Tierrechtsarbeit. Zudem erscheint zweimal monatlich der Tierrechte Newsletter. Der Bundesverband Menschen für Tierrechte ist seit seiner Gründung als gemeinnützig und besonders förderungswürdig anerkannt. Beiträge und Spenden sind steuerlich absetzbar.