Mehrere Gerichte urteilen bei sogenannten „Undercover-Filmaufnahmen“ im Sinne der Aktivisten. Die Freisprüche haben eine elementare juristische und gesellschaftliche Bedeutung, die die Politik nicht ignorieren kann.
Drei Aktivisten der Tierrechtsorganisation Animal Rights Watch (ARIWA) hatten 2013 in einer Zucht- und Mastanlage in Sandbeiendorf in Sachsen-Anhalt gefilmt. Die Aufnahmen zeigten unter anderem verletzte oder sogar tote Schweine, zu kleine Eber-Käfige, zu große Bodenspalten und eine mangelhafte Trinkwasserversorgung. Die Tierrechtsaktivisten stellten sich danach freiwillig den Behörden, um ein Grundsatzurteil zu erreichen – was ihnen gelang.
„Nur Videoaufnahmen und öffentlicher Druck bewirken etwas!“
Einer der Angeklagten sagte aus, für ihn sei der Hausfriedensbruch ein rechtfertigender Notstand. Er habe in 25 Jahren Tierschutz die Erfahrung machen müssen, dass am Ende nur Videoaufnahmen und öffentlicher Druck etwas bewirken könnten. Daraufhin sprachen das Amtsgerichts Haldesleben (2016) und das Landgericht Magdeburg (2017) die Aktivisten frei. Gegen das Magdeburger Urteil legte die Staatsanwaltschaft daraufhin Revision ein. Diese wurde Anfang 2018 durch das Oberlandesgericht Naumburg verworfen. Damit wurden die Freisprüche rechtskräftig.
Tierleid rechtfertigt Hausfriedensbruch
Die Richter begründeten den Freispruch damit, dass Undercover-Filmaufnahmen gerechtfertigt seien. Die Angeklagten hätten zwar Hausfriedensbruch begangen, ihre Motivation sei aber die richtige gewesen. Der Hausfriedensbruch sei in diesem Fall ein geeignetes Mittel, um eine Strafanzeige gegen den Betreiber der Anlage zu begründen und um die Tiere letztendlich von ihren Qualen zu befreien. In seiner Begründung unterstrich der Vorsitzende Richter des Oberlandesgerichts Naumburg, dass der von den Vorinstanzen erkannte rechtfertigende Notstand angesichts untätiger staatlicher Kontrollorgane eindeutig vorgelegen habe. Das Handeln der Angeklagten, um dem Rechtsgut Tierschutz zur Durchsetzung zu verhelfen, sei vollauf gerechtfertigt gewesen.
Undercover-Aufnahmen dürfen ausgestrahlt werden
Dass Undercover-Aufnahmen gerechtfertigt sind, wurde im April 2018 durch ein weiteres Urteil des Bundesgerichtshofes bestätigt. Dieser entschied, dass Fernsehsender heimlich gedrehte Aufnahmen aus Tierställen ausstrahlen dürfen, wenn sie damit Missstände von öffentlichem Interesse offenlegen. Hintergrund: Im Jahr 2012 hatte ein Erzeugerzusammenschluss gegen die Veröffentlichung von Material durch den MDR geklagt, das Aktivisten unseres Mitgliedsvereins Animal Rights Watch (ARIWA) in Bio-Hühnerbetrieben aufgenommen hatten. Die Aufnahmen zeigten Hühner in einem schlechten Zustand oder tot am Boden liegend. Der Vorsitzende Richter Gregor Galke begründete das Urteil damit, dass das Informationsinteresse der Öffentlichkeit in diesem Falle aber höher zu bewerten sei als die Interessen des Unternehmens, auch wenn die Tierschützer das Hausrecht verletzt hätten.
Juristische und gesellschaftliche Bedeutung
Diese Urteile haben eine elementare juristische und gesellschaftliche Bedeutung. Es ist das erste Mal, dass Tierschützer in dieser Konstellation von Amtsgericht, Landgericht und Oberlandesgericht freigesprochen werden. Die Richter stellten den Tierschutz als hohes Rechtsgut heraus und verwiesen auf die Verankerung im Grundgesetz. Die Tiere brauchen unseren Schutz. Es ist richtig, dass couragierte Menschen handeln und verbotene Tierquälerei dokumentieren, wenn der Staat versagt. Dies gibt den Aktivisten juristische Rückendeckung. Dies tut not, denn die Landwirtschaftslobby versucht massiv das Filmen in Tierhaltungsanlagen (Stichwort „Stalleinbrüche“) zu kriminalisieren.