Agrar- und Ernährungswende

Landwirtschaft: „Die planetaren Belastungsgrenzen sind überschritten“

Dr. Toni Meier arbeitet am Lehrstuhl für Allgemeinen Pflanzenbau / Ökologischen Landbau des Instituts für Agrar- und Ernährungswissenschaften der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) und hat sich in einer kürzlich veröffentlichten Studie mit dem Zusammenhang von Ernährungsweisen und nachhaltiger Flächennutzung beschäftigt. Weitere Hintergründe zu agrar- und ernährungsökologischen Zusammenhängen erläutert er in seinem Buch „Umweltschutz mit Messer und Gabel – der ökologische Rucksack der Ernährung in Deutschland“. tierrechte sprach mit ihm über die Zukunft der Landwirtschaft, das Umweltpotential verschiedener Ernährungsformen und was wir dazu beitragen können, dass sich zukunftsfähige Verpflegungskonzepte durchsetzen.

Tierrechte: Herr Dr. Meier, ist die konventionelle Landwirtschaft ein Zukunftsmodell?

Toni Meier: Nein, global betrachtet, ist sie es definitiv nicht. Diverse Studien zeigen, dass die planetaren Belastungsgrenzen überschritten sind. Das betrifft zum Beispiel die globalen Stickstoffströme, das weltweite Artensterben und die Emissionen von Treibhausgasen – alles Effekte, die maßgeblich durch Landwirtschaft und Ernährung bedingt werden. Da sind wir deutlich über dem, was wir uns als Menschheit leisten können.

Tierrechte: Welches Umweltschutzpotential sehen Sie in der vegetarischen, insbesondere der veganen Ernährungsweise?

Toni Meier: Wenn man die Umwelt als Bündel von verschiedenen Umwelteffekten* sieht, dann kann man mit einer reinen Ernährungsumstellung auf eine vegetarische Ernährung mit Milch- und Eiprodukten eine Einsparung von etwa 25 Prozent erreichen. Bei einer veganen Ernährung sind es etwa 50 Prozent. Aus der Vermeidung von Nahrungsmittelabfällen und dem Kauf von Bioprodukten resultiert ein zusätzliches Einsparpotential von je 10 Prozent.

Tierrechte: Wie könnte ein Umlenken in der Landwirtschaft hin zu einer ökologischen und nachhaltigen Nahrungsmittelproduktion eingeleitet werden?

Toni Meier: Wenn wir die Entwicklung der letzten 50 bis 60 Jahre in Europa betrachten, stellt man fest, dass sich in diesem Zeitraum einiges getan hat. Man ist weggekommen von einer reinen Produktionsförderung hin zu einer Förderpolitik, die mit dem sogenannten Greening auch Umwelteffekte mitberücksichtigt. Dies sehe ich als großen Fortschritt an. Insofern hat die Politik hier schon einen vernünftigen Rahmen gesetzt. Jetzt sind die Marktakteure und damit auch die Verbraucher gefordert, den politischen Rahmen entsprechend auszugestalten.

Tierrechte: Können Sie ein Beispiel nennen, was die Marktakteure tun könnten, damit sich bessere Versorgungskonzepte durchsetzen?

Toni Meier: Wir arbeiten momentan in einem Projekt mit Hochschulmensen und Schul-Caterern zusammen. Das Studentenwerk Berlin kennzeichnet zum Beispiel seit 2012 alle angebotenen Speisen nach einem gastronomischen Ampelsystem (GAS). Jedem Gericht wird dabei eine Ampelfarbe zugeordnet, die Auskunft über die gesundheitliche Qualität gibt. „Rot“ steht dabei für ernährungsphysiologisch unausgewogen, „gelb“ für eine mittelmäßige und „grün“ für eine optimale ernährungsphysiologische Speisenqualität. Dabei zeigte sich, dass diese Kennzeichnung zu einer fundamentalen Veränderung bei der Nachfrage führte. Der Shift hin zu den „grün“ und „gelb“ gekennzeichneten Gerichten verlief dabei ohne Einbußen bei den Verkaufszahlen. Das hängt einerseits mit den Verbrauchern zusammen, die Wert auf eine gesunde Ernährung legen, andererseits aber auch mit den Küchenleitern. Da wollte plötzlich keiner mehr eine rote Rezeptur im Speiseplan haben. Wir wollen die Ampel nun auch auf ökologische Bereiche ausweiten. Es wäre aber genauso vorstellbar, bei der Ampelkennzeichnung auch Tierschutzaspekte zu berücksichtigen.

Die Fragen stellte Christina Ledermann.

*Zu den Umwelteffekten zählen klassische Umwelteffekte wie der Treibhauseffekt, der Verbrauch endlicher Ressourcen oder das Eutrophierungspotential aus Stickstoffüberschüssen. Seit Kurzem fließen auch andere Effekte in die Ökobilanzen ein, wie Artenverlust und Flächendegradation. Insgesamt werden in der entwickelten Methode 15 verschiedene Umweltindikatoren betrachtet. Zusammengenommen tragen all die daraus resultierenden Umwelteffekte zum ökologischen Rucksack der Ernährung bei.