Tierversuche

Tierversuche für Haushaltsprodukte

Haushaltsprodukte – ob Reiniger, Waschmittel, Möbelpolitur oder Lufterfrischer – jeder von uns nutzt sie täglich. Während die meisten wissen, dass Millionen von Tiere für die Testung von Arzneimitteln leiden und sterben müssen, ist vielen nicht bewusst, dass das auch für die Prüfung von Haushaltsprodukten gilt.

Vom Trostpflaster zum effektiven Verbot
Am 11. März 2013 wurde ein wichtiger Meilenstein im Kampf gegen die Tierversuche erreicht: das EU-weite Vermarktungsverbot für in Tierversuchen getestete Kosmetika trat in Kraft. Über 30 Jahre waren dazu nötig, von den ersten Aktionen der Tierversuchsgegner bis zum EU-weiten Verbot tierexperimentell getesteter Schönheitspflegemittel. Vieles wurde auf dem langen Weg gesellschaftspolitisch angestoßen und wissenschaftlich gebahnt. Initiator und Impulsgeber für diese Entwicklung war die radikale Tierversuchsgegnerbewegung, die das Tierversuchsverbot in der Kosmetik einforderte. Jetzt geht es weiter und zwar mit den sogenannten Haushaltsprodukten. Europas Tierversuchsgegner und mit ihnen unser Bundesverband haben sich das Ziel gesetzt, dass in der EU zukünftig nur noch tierversuchsfreie Haushaltsprodukte vermarktet werden dürfen.

Andere Länder gehen voran
Laut Presseberichten erwägt Großbritannien ein Tierversuchsverbot für Haushaltsprodukte. Diese Absichtserklärung drang im März aus dem britischen Innenministerium und ist auf großen Zuspruch bei der englischen Stiftung für tierversuchsfreie Methoden (FRAME) gestoßen. Das Verbot soll das Endprodukt und die darin enthaltenen Substanzen umfassen, sofern diese mindestens zu 50 Prozent in Haushaltsprodukten eingesetzt werden. Auch Israel und Indien könnten Vordenker für ein EU-weites Verbot sein. Beide Länder verbieten bereits, Haushaltsprodukte und Kosmetika an Tieren zu testen. Indien verfolgt zusätzlich ein Vermarktungsverbot nach europäischem Vorbild. Ob die Verbotsregelungen in der Praxis auch tatsächlich zum Tragen kommen, ist allerdings nicht bekannt.

Deutschland hat Verbot seit 1987
Das deutsche Tierschutzgesetz verbietet schon seit Januar 1987 Tierversuche zur Entwicklung von Waschmitteln, ebenso für Tabakerzeugnisse und dekorative Kosmetik. Erst 1998 wurde das Verbot auch auf die pflegende Kosmetik ausgeweitet. Aus juristischer Sicht beinhaltet der Begriff „Waschmittel“ weitaus mehr als Erzeugnisse zum Wäschewaschen. Vielmehr handelt es sich um eine breite Produktpalette, die im Wasch- und Reinigungsmittelgesetz (§ 2 WRMG) sowie in der Detergenzienverordnung (Nr. 648/2004) genau definiert ist. Hierzu gehören alle erdenklichen Reinigungsmittel, wie Seifen, Geschirrspülmittel, Haushaltsreiniger, lösungsmittelhaltige Lackverdünner und grenzflächenaktive Emulgatoren.

Überall zu Kaufen: tierversuchsgetestete Haushaltsprodukte
Auch Weichspüler, Netz- und Imprägnierungsmittel sowie optische Aufheller fallen unter das im Tierschutzgesetz verwendete Wort „Waschmittel“. Somit verhängt das Tierschutzgesetz schon 1987 ein Tierversuchsverbot über eine immense Zahl von Haushaltsprodukten. Eine Tatsache, deren Tragweite bisher kaum thematisiert wurde. Möglicherweise deshalb, weil das Verbot in der Praxis keine einschneidenden Auswirkungen hatte. Warum? Dafür gibt es zwei wesentliche Gründe, die wir in unserer langjährigen Kosmetik-Kampagne kennengelernt haben: Die meisten Substanzen werden nach Chemikalienrecht mit Tierversuchen getestet und es fehlt ein Vermarktungsverbot. Das heißt: tierversuchsgetestete Haushaltsprodukte dürfen nach wie vor importiert und verkauft werden.

Chemikalienrecht contra Tierversuchsverbot
Substanzen, die in Waschmitteln verwendet werden, sind in der Regel Chemikalien, die entweder als Reinsubstanz auf den Markt kommen oder auch in Produkten verwendet werden, die nicht unter den Begriff Waschmittel fallen. Nur wenige Inhaltsstoffe werden ausschließlich in Waschmitteln eingesetzt und fallen deshalb eindeutig unter die Verbotsregelung des Tierschutzgesetzes. Die meisten Substanzen kommen in unterschiedlichen Bereichen zum Einsatz, so dass sie nach Chemikalienrecht (Stichwort REACh) geprüft werden. Nach der EU-Chemikalien-Verordnung darf nur dann tierversuchsfrei getestet werden, sofern es eine behördlich anerkannte Methode gibt, die in die einschlägigen Prüfvorschriften aufgenommen wurde. Für viele Giftigkeitstests gibt es aber noch keine anerkannten tierversuchsfreien Verfahren, so dass immer noch am Tier getestet wird. Wasch- und Reinigungsmittel, die mit dem Zusatz „antibakteriell“ oder „desinfizierend“ beworben werden, müssen seit 2013 auch nach der EU-Biozidprodukte-Verordnung (528/2012) geprüft werden. Diese Prüfungen umfassen im Wesentlichen Giftigkeitstests mit Tieren, weil tierversuchsfreie Verfahren bisher nur für einige Fragestellungen anerkannt wurden. Hinzu kommen weitere Rechtsregelungen wie z.B. die Detergenzien-Verordnung.

Vermarktungsverbot fehlt
Das deutsche Tierschutzgesetz von 1987 verhängt in § 7a Absatz 4 nur das Testverbot am Tier, aber kein Vermarktungsverbot. Auch wenn dieses aus EU-rechtlicher Sicht Deutschland vermutlich gar nicht gestattet war, so zeigt die Situation exemplarisch, dass das Tierversuchsverbot ohne Kombination mit dem Vermarktungsverbot wirkungslos bleibt. Denn einerseits können tierexperimentell getestete Produkte ungehindert auf dem deutschen Markt verkauft werden. Die rechtskonformen, tierversuchsfreien Waren haben also keinen Marktvorteil. Andererseits verleitet das fehlende Importverbot dazu, die gesetzlich geforderten Unbedenklichkeitsprüfungen tierexperimentell im Ausland durchzuführen. Ohne ein Vermarktungsverbot entsteht zudem kein Druck, die Entwicklung der fehlenden tierversuchsfreien Methoden voranzutreiben. Dies zeigt der Parallelfall Kosmetik: Das schon 1998 in Deutschland geltende Tierversuchsverbot griff erst als die EU das Tierversuchsverbot für Schönheitspflegemittel beschloss und zusätzlich ein Vermarktungsverbot verhängte. Beide Verbote traten in vollem Umfang im Sommer 2013 EU-weit in Kraft.

Kampagne für tierversuchsfreie Haushaltsprodukte
Ebenso wichtig ist die Überwachung der Einhaltung der Verbote durch ein dichtes Kontrollsystem. Erst das EU-weite Vermarktungsverbot in Verbindung mit einem leistungsstarken Kontrollsystem schafft eine belastbare Grundlage für tierversuchsfreie Haushaltsprodukte in der EU. Die Erfahrungen aus der Kosmetik zeigen, dass sich die Verbotsregelung auch als Beschleuniger auf die Entwicklung der noch immer fehlenden tierversuchsfreien Testverfahren auswirken wird. Deswegen hat der Bundesverband, gemeinsam mit seinen europäischen Partnern, die Kampagne für tierversuchsfreie Haushaltsprodukte in der EU gestartet.

Dr. Christiane Baumgartl-Simons