Bildung und Tierrechte

Schulgesetze und Lehrpläne: Der Tierschutz bleibt außen vor

S. Hofschlaeger / pixelio.de

Deutschland hat 2002 als erstes EU-Land den Tierschutz ins Grundgesetz aufgenommen und damit zum Staatsziel erhoben. Durch die Ergänzung der Worte „und die Tiere“ in Artikel 20a GG wurde ein klarer Schutzauftrag formuliert. Doch diese wesentliche Verfassungsergänzung findet sich weder in den Lehrplänen noch in den Schulgesetzen, geschweige denn in der pädagogischen Praxis wider.

Die Schulgesetze in unseren Bundesländern sind in puncto Tierschutz mehr als lückenhaft. Die entsprechenden Inhalte lassen sich in den Paragraphen 1 oder 2 („Bildungsauftrag der Schule“) der jeweiligen Schulgesetze nachlesen. Explizit werden die Tiere nur in den Schulgesetzen von Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein aufgeführt. Im Schulgesetz von Nordrhein-Westfalen heißt es, dass die Jugendlichen „im Geist der Menschlichkeit, der Demokratie und der Freiheit, zur Duldung und zur Achtung vor der Überzeugung des anderen, zur Verantwortung für Tiere und die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen“ erzogen werden sollen. In Schleswig-Holstein lautet der entsprechende Satzteil „an der Erhaltung der Lebensgrundlagen von Pflanzen, Tieren und Menschen mitzuwirken“.

Tierschutz wird dem Begriff „Natur“ untergeordnet
In den Schulgesetzen Sachsens und Sachsen-Anhalts werden die Tiere dem Begriff „Natur“ untergeordnet. In Sachsen sollen die Schüler dazu angehalten werden „die christliche Tradition im europäischen Kulturkreis, Werte wie Ehrfurcht vor allem Lebendigen, Nächstenliebe, Frieden und Erhaltung der Umwelt“ zu leben. Zur Auslegung des Schulgesetzes in Sachsen-Anhalt bedarf es mehr Fantasie, denn hier steht: die Schüler sollen „für die Bewahrung von Natur, Leben und Gesundheit“ befähigt werden. Ob dies nun auch die Tiere mit einschließt, bleibt der persönlichen Auslegung überlassen. In den Ländern Niedersachsen, Hamburg, Bremen, Rheinland-Pfalz, Bayern, Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen und Brandenburg wird ebenfalls lediglich der „Schutz von Umwelt und Natur“ in den Schulgesetzen aufgeführt. Die Tiere werden nicht explizit erwähnt.

Schwerpunkt liegt auf dem Wohl der (menschlichen) Gesellschaft
Noch ungünstiger in Bezug auf die Tiere und deren Schutz fallen die Schulgesetze in Hessen, Baden-Württemberg, Berlin und dem Saarland aus. Hier liegt der Schwerpunkt ausschließlich auf dem Wohl der Gesellschaft. Die Schüler sollen beispielsweise dazu befähigt werden sollen, in „Verantwortung zur Menschlichkeit und Friedensliebe“ zu leben (Baden-Württemberg) bzw. „die Auswirkungen des eigenen und gesellschaftlichen Handelns auf die natürlichen Lebensgrundlagen zu erkennen sowie die Notwendigkeit, diese Lebensgrundlagen für die folgenden Generationen zu erhalten“ (Hessen). Die Tiere werden in diesen Ländern überhaupt nicht erwähnt. Es bleibt wieder der Auslegung überlassen, ob man die Tiere zwischen den Zeilen findet.

Jens Weber / pixelio.de

Der Tierschutz in den Lehrplänen der Länder
Auch bei den Lehrplänen stellt sich die Situation ähnlich dar. Sucht man in den jeweiligen Schulformen (Grundschule, Hauptschule, Realschule, Gesamtschule, Förderschule und Gymnasium) und erweitert in den jeweiligen Fächern nach dem Suchbegriff „Tiere“, gewinnt man zwar auf den ersten Blick den Eindruck, als wäre das Thema oft vertreten. Bei genauerer Recherche kommt man jedoch zu dem Ergebnis, dass der Tierschutz wiederum in erster Linie unter den Begriffen „Naturschutz“, „Artenschutz“ und „Zoologie“ geführt wird.

Der Tierschutz fristet an unseren Schulen ein Schattendasein
Ein Beispiel aus Bremen, stellvertretend für viele Fächer und Bundesländer, macht dies deutlich: Für die naturwissenschaftlichen Klassen 5/6 werden die folgenden Themen vorgeschlagen: „Gesellschaftliche positive und negative Umgangsformen der Menschen mit der Umwelt beschreiben“, „Gesund bleiben“ und „Pflanzen und Tiere in ihrem Lebensraum kennen lernen“. Für die naturwissenschaftlichen Klassen 7/8 sind es die Themen: „Atmung und Luftqualität“, „Schätze der Erde“ und „Vom Acker“. Der Tierschutz bleibt wiederum außen vor. Am besten schneiden noch die Grundschulen im Sachunterricht ab. Hinzu gesellt sich der Umstand, dass sich die Lehrer bei der raren Auswahl an Tierschutzthemen letztendlich selbst entscheiden, ob und wenn, wie umfassend sie dieses Thema behandeln. Fazit: Die Lehrpläne spiegeln das wider, was bereits in den Schulgesetzen deutlich wurde: Der Tierschutz fristet an unseren Schulen ein Schattendasein.