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16. November 2017: Bestätigung des Abbauplans für Tierversuche: EU fördert Organ-on-a-Chip-Technologie

Unter der Leitung der Niederlande erarbeiten vier EU-Länder derzeit einen Fahrplan für den Aufschwung der Organ-on-a-Chip-Systeme. Diese neue Technologie hat großes Potential, um zukünftig Tierversuche abzubauen. Der Bundesverband Menschen für Tierrechte sieht in dem Projekt die Bestätigung des niederländischen Plans zum Abbau von Tierversuchen (1).

Mit dem europäischen Projekt ORCHID (ORgan-on-CHip In Development) wollen die Niederlande, Belgien, Deutschland, Frankreich und Spanien eine europäische Infrastruktur für Wissenschaftler, politische Entscheidungsträger, Geldgeber und Endnutzer aufbauen um eine koordinierte Entwicklung, Produktion und Implementierung von Organ-on-a-Chip-Systemen auf europäischer Ebene voranzubringen (2). Damit verfolgt ORCHID die Umsetzungsstrategie des Niederländischen Abbauplans (4). Die EU fördert das Projekt im Rahmen des Forschungs- und Innovationsprogramms Horizon2020 für zwei Jahre mit gut 500.000 Euro.

Katalysator zum Abbau der Tierversuche
„ORCHID ist ein notwendiger Katalysator für einen zielstrebigen Abbau der Tierversuche in der EU. Die Initiative zeigt, dass unsere jahrelange Forderung nach einem Masterplan für den systematischen Ausstieg aus dem Tierversuch richtig ist. Das nun ausgerechnet die Niederlande mit zwei Institutionen im Konsortium vertreten sind und zusätzlich das Gremium leiten, verstehen wir als Bestätigung des Niederländischen Abbauplans für Tierversuche“, sagt Christina Ledermann, stellvertretende Vorsitzende des Bundesverbandes Menschen für Tierrechte.

Vorbildlich: Abbauplan der Niederlande
Die Niederlande haben 2016 besagten Abbauplan vorgelegt. Sie kamen damit als erstes EU-Land der Verpflichtung aus der EU-Tierversuchsrichtlinie 2010/63/EU nach, eine konkrete Strategie für den Ausstieg aus dem Tierversuch zu entwickeln (3). Der Plan beurteilt die Reduktionsmöglichkeit von Tierversuchen in unterschiedlichen Bereichen. Danach könnten Tierversuche für regulatorische Sicherheitstest für Chemikalien, Lebensmittelzusätze, Pestizide sowie Tier- und Humanmedizinprodukte unter Einhaltung des gleichen Sicherheitsniveaus am Schnellsten beendet werden.

Schlüsseltechnologie Organ-on-a-Chip
Die Organ-on-a-Chip-Technologie gilt als die Schlüsseltechnologie, um den Tierversuch auch in systemischen Fragestellungen zu beenden. Sie kann dazu beitragen, Tierversuche in der Giftigkeits- und Medikamentenprüfung abzuschaffen und kann auch für die Entwicklung von menschlichen Krankheitsmodellen genutzt werden. Mit den neuen Methoden sollen alle wichtigen Organe des Menschen miniaturisiert nachgebildet und ein möglichst vollständiges physiologisches System simuliert werden. Schon heute wird diese Technologie an Stelle von Tierversuchen für die Wirkstoffforschung genutzt.

Anschub für Chip-Technologie
Das Leiden University Medical Center und die niederländische Forschungsorganisation hDMT (Institute for human Organ and Disease Model Technologies) und ihre fünf beteiligten Organisationen wollen nun mit ORCHID zu einer schnelleren Weiterentwicklung von Organ-on-a-Chip-Prototypen und validierten Zellsystemen beitragen und die Anwendung dieser Technologie in Wissenschaft, Gesundheitswesen und Industrie beschleunigen. Das deutsche Fraunhofer Institut für Grenzflächen und Bioverfahrenstechnik (IGB) wird hierbei spezifische Trainingsinhalte für die Weiterbildung von Forschern, Entwicklern und Nutzern ausarbeiten und sich um die Vermarktung kümmern.

Gemeinsam für den Abbauplan
„Wir begrüßen das Projekt ORCHID. Es befreit die politischen Entscheidungsträger allerdings nicht von ihrer Verpflichtung, die tierversuchsfreie Forschung umfassend zu fördern. Wenn Europa wirklich seinem eigenen Anspruch aus der Tierversuchsrichtlinie gerecht werden will, muss der Plan der Niederlande auch in anderen Bereichen konsequent umgesetzt werden“, schließt Ledermann.

(1) Abbauplan der Niederlande unter: www.ncadierproevenbeleid.nl; hier lesen Sie zudem ein Interview mit Dr. Herman Koëter, Vorsitzender des niederländischen nationalen Komitees für den Schutz von Tieren, über den ambitionierten niederländischen Abbauplan für Tierversuche
(2) https://www.igb.fraunhofer.de/de/presse-medien/presseinformationen/2017/ORCHID.html

(3) 2010 haben die EU-Mitgliedstaaten vereinbart, Verfahren mit lebenden Tieren für wissenschaftliche Zwecke und Bildungszwecke vollständig zu ersetzen, sobald dies wissenschaftlich möglich ist (Richtlinie 2010/63/EU, Erwägungsgründe 10, 46, Artikel 47 Absatz 1).

Wortlaut des Erwägungsgrundes 10 der EU-Tierversuchsrichtlinie (2010/63/EU)
„Obwohl es erstrebenswert ist, den Einsatz lebender Tiere in Verfahren möglichst durch andere Methoden zu ersetzen, bei denen keine lebenden Tiere verwendet werden, ist der Einsatz lebender Tiere weiterhin notwendig, um die Gesundheit von Mensch und Tier sowie die Umwelt zu schützen.
Diese Richtlinie stellt jedoch einen wichtigen Schritt zur Erreichung des letztendlichen Ziels dar, Verfahren mit lebenden Tieren für wissenschaftliche Zwecke und Bildungszwecke vollständig zu ersetzen, sobald dies wissenschaftlich möglich ist.
Zu diesem Zweck zielt diese Richtlinie darauf ab, die Weiterentwicklung alternativer Ansätze zu erleichtern und zu fördern. Diese Richtlinie zielt auch darauf ab, für Tiere, die in Verfahren weiterhin verwendet werden müssen, ein möglichst hohes Schutzniveau zu gewährleisten. Diese Richtlinie sollte im Lichte der Fortschritte in der Wissenschaft und beim Tierschutzregelmäßig überprüft werden.“ Hier können Sie sich die EU-Tierversuchsrichtlinie (2010/63/EU) als PDF herunterladen (41 Seiten): www.dfg.de

(4) Zur Umsetzungsstrategie (NCAD): Erforderlich ist: eine Internationale Zusammenarbeit für eine neue Herangehensweise an die Risikobewertung; kettenorientierte multidisziplinäre Zusammenarbeit für die Entwicklung und Anerkennung von tierversuchsfreien Verfahren, Nutzung von Humandaten, Monitoring von Evaluierung und Verbreitung der tierversuchsfreien Methoden; Parallel dazu Monitoring und Evaluierung des Rückgangs der Tierversuche (Begründung: der Anteil der Replace-Verfahren am Rückgang der Tierversuchszahlen in den NL kann nicht belegt werden); Entwicklung eines Innovationsindex für tierversuchsfreie Methoden (Nachschlagwerk, Verzeichnis) in Zusammenarbeit mit anderen Ländern (so wie Medizin Index) (NCAD Bericht Seite 5).

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Pressestelle:
Christina Ledermann
Tel.: 0211/16345429
Mobil: 0179/450 46 80
E-Mail: ledermann@tierrechte.de

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Menschen für Tierrechte – Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.
Neue Geschäftsstelle: Mühlenstr. 7a, 40699 Erkrath
Tel: 0211 / 22 08 56 48, Internet: www.tierrechte.de

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Der Bundesverband Menschen für Tierrechte setzt sich seit seiner Gründung 1982 auf rechtlicher, politischer, wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Ebene für die Anerkennung elementarer Tierrechte ein und kämpft gegen jeglichen Missbrauch von Tieren. Das langfristige Ziel ist eine grundsätzliche Veränderung des Mensch-Tier-Verhältnisses. Dem Dachverband mit Hauptsitz in Erkrath (früher Aachen) sind über 60 Vereine sowie private Fördermitglieder angeschlossen. Seine Stärke liegt im Zusammenwirken von Seriosität, Fachwissen und Lobbyarbeit auf höchster politischer Ebene. Dazu verfolgt der Verband einen Masterplan zum Ausstieg aud dem Tierversuch und eine Agrarwende von der tierischen zur pflanzlichen Eiweißproduktion, um das Ende der „Nutztier“-Haltung zu erreichen. Darüber hinaus ernennt der Verband beispielsweise das „Ersatzverfahren des Jahres“ sowie das: „Versuchstier des Jahres“, betreibt die Wissenschaftsplattform InVitro+Jobs für eine konsequente Förderung der tierversuchsfreien Forschung und setzt sich mit dem Projekt SATIS für eine humane Ausbildung ein. Weitere Arbeitsschwerpunkte sind die Etablierung der Tierschutz-Verbandsklage, eine tierlose bio-vegane Landwirtschaft sowie die Aufnahme von Tierrechten in die Lehrpläne von Schulen. Der Verband gibt viermal im Jahr das Magazin tierrechte heraus. Neben einem Themenschwerpunkt informiert die Zeitschrift Journalisten, Wissenschaftler, Politiker, Behörden und Verbandsmitglieder über aktuelle Entwicklungen in der politischen Tierrechtsarbeit. Zudem erscheint zweimal monatlich der Tierrechte Newsletter. Der Bundesverband Menschen für Tierrechte ist seit seiner Gründung als gemeinnützig und besonders förderungswürdig anerkannt. Beiträge und Spenden sind steuerlich absetzbar.