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Agrar- und Ernährungswende

01.06.2025: Von der Tiermast zum Pflanzen- oder Pilzanbau

US-amerikanische Tierschutzorganisation unterstützt Landwirte bei der Umstellung   

Studien zu den Folgen der tierbasierten Landwirtschaft zeigen, dass der Umstieg auf eine pflanzenbasierte Landwirtschaft unausweichlich ist. Neben den Klimaeffekten und dem gravierenden Tierleid verbraucht die „Nutztierhaltung“ unverhältnismäßig viel Fläche und Wasser, zerstört damit wesentlich die Biodiversität und belastet Boden, Wasser und Luft. Doch die Politik subventioniert weiterhin die Tierhaltung, vor allem die Großbetriebe. Förderungen zum Umstieg auf die Produktion von alternativen Eiweißen für den menschlichen Verzehr bietet der Staat kaum. Doch es gibt sie – Landwirte, die nicht länger die „Tierproduktion“ betreiben wollen oder können. Diese Not hat die US-Tierschutzorganisation Mercy for Animals erkannt und das Projekt Transfarmation gegründet. Damit unterstützt sie Landwirte, ihre Mastanlagen zu Pflanzen- oder Pilzanbaubetrieben umzustellen. Menschen für Tierrechte hat ein Interview mit der Leiterin von Transfarmation Katherine Jernigan geführt.

 

Wie kam es zu der ersten Begegnung mit einem Landwirt, den Ihr von einer Umstellung überzeugen konntet?

Transfarmation wurde 2019 ins Leben gerufen, nachdem die Gründerin Leah Garcés dem Vertragsgeflügelzüchter und Whistleblower Craig Watts begegnete. Craigs Enthüllungen über die industrielle Hühnerhaltung und wie Unternehmen ihre Vertragslandwirte in einen Kreislauf der Verschuldung zwingen wurden von den großen US-Medien aufgenommen. 99,5% aller US-Landwirte, die Hühner aufziehen, tun dies im Rahmen von Verträgen mit großen Fleischunternehmen wie Pilgrim’s Pride und Tyson Foods. Die Unternehmen verlangen immer wieder teure Änderungen. Dabei geraten viele Landwirte in eine Endlosschleife aus Schuldenabzahlung und Neuverschuldung. Außerdem wird vielen Landwirten plötzlich gekündigt und sie haben oft nur eine begrenzte Auswahl an Vertragspartnern.

Wie kommt der Erstkontakt mit Landwirten in der Regel zustande?

Bislang haben wir mit 14 Landwirten zusammengearbeitet, von denen sieben bereits pflanzlich wirtschaften. Es sind Landwirte aus der industriellen Hühner- und Schweinehaltung, kleine Milchviehbetriebe und Weidevieh. Alle Landwirte sind an uns herangetreten. Als Gründe werden u.a. erdrückende Schulden, mangelnde Kontrolle über ihre Betriebe, Schließungen von Verarbeitungsbetrieben und Bedenken hinsichtlich des Tier- und Umweltschutzes genannt. Die Landwirte erfahren von unserer Arbeit durch andere Landwirte, durch die Presse, soziale Medien, Auftritte bei landwirtschaftlichen Veranstaltungen, einer Netflix-Dokumentation und über unsere Website.

Welche Höfe sind leichter umzubauen: Schweine- oder Geflügelfarmen?

Das ist schwer zu sagen, da die Umstellung von Betrieben von vielen Faktoren abhängt. Die unmittelbaren Hindernisse für die Umstellung sind die hohe Verschuldung und die Suche nach einer alternativen Produktion, die diese Schulden abbauen kann. Wie schnell die Umstellung eines Betriebs von statten geht, hängt davon ab, wie viel Zeit ein Landwirt dafür aufwenden kann – viele Landwirte üben außerbetriebliche Tätigkeiten aus.

Könnt Ihr die Vorgehensweise bei der Umstellung schildern?

Wir vereinbaren einen Gesprächstermin und erörtern, ob unser Programm für die Landwirte geeignet ist. Wir prüfen, über welche Art von landwirtschaftlicher Infrastruktur und welche Ressourcen sie verfügen, die umgewidmet werden können und bewerten die Schuldenlast. Die Umstellung eines landwirtschaftlichen Betriebs ist mit der Gründung eines Unternehmens vergleichbar. Landwirte mit Unternehmergeist, die offen für Neues sind, haben gute Voraussetzungen. Sobald sich ein Landwirt für unser Programm anmeldet, führt Transfarmation eine Bedarfs- und Marktanalyse für die Region durch. Wir vermitteln auch Kontakte zu landwirtschaftlichen und technischen Beratern, um die landwirtschaftlichen Strukturen für die Umstellung zu beurteilen, einen Geschäftsplan zu erstellen und die technischen Fähigkeiten für den Anbau neuer Kulturen zu erlernen. In der Regel können die Landwirte den größten Teil des Abrisses und des Neubaus ohne spezialisierte Arbeitskräfte durchführen.

Transfarmation bietet viele Ressourcen auf der Website TheTransfarmationProject.org an, darunter Pläne für die Umstellung auf Gewächshaus- und Edelpilzbetriebe, Betriebsbudgets und Marktanalysen für einige US-Staaten. Weiterhin entstanden aus der Zusammenarbeit mit zwei Landwirten Demonstrationszentren, die als Versuchsanlagen und Lernzentren für Umstellungen dienen.

Arbeitet Ihr mit Herstellern zusammen, die die Ausstattung für die Umstellung liefern?

Transfarmation arbeitet mit technischen Beratern und Universitäten zusammen, um neue, reproduzierbare landwirtschaftliche Modelle zu entwickeln, damit andere Landwirte ihre Umstellung selbständig durchführen können. Die technische Unterstützung umfasst Generaldienstleister, Gewächshauslieferanten und Beratung zu Anbausystemen. Oft müssen die Landwirte nur einen kleinen Teil ihrer ehemaligen Mastanlage nutzen und für den Rest des Landes helfen wir ihnen, nachhaltige Bewirtschaftungsmethoden wie Naturschutz oder Agrartourismus zu finden.

Welche Pflanzen- oder Pilzkulturen eignen sich für den Indoor-Anbau?

Die Landwirte, die auf Edelpilze umgestiegen sind, bauen Sorten wie Löwenmähne, Reishi, Shiitake und Austernpilzen an. Landwirte, die auf Gewächshausanbau umgestellt haben, bauen Obst, Gemüse, Microgreens und Ingwer an und haben ihre Scheunen zum Trocknen von Hanf, der im Freien angebaut wird, umfunktioniert. Die von Transfarmation erstellten Anbaurichtlinien und Betriebsbudgets umfassen den Innenanbau von Tomaten, Gurken, Erdbeeren, Edelpilzen, Mikrogreens, essbaren Blumen, Tee, speziellen Wurzelgemüsen sowie Kräuterpflanzen. Es gibt noch viele weitere Pflanzen, die in umgewandelten Anlagen angebaut werden können.

Hat diese Art des Anbaus Vorteile für den Landwirt? Wie verhält sich der Gewinn im Vergleich zur Geflügelzucht bei den Euch bekannten Beispielen?

Im Jahr 2023 waren 53 % der Geflügelzüchter in den USA verschuldet. Der Median des Nettoeinkommens von Geflügel- und Schweinehaltern ist seit mindestens 2019 kontinuierlich gesunken. Unsere Untersuchungen zeigen, dass Landwirte, die ihre Betriebe umstellen und gut bewirtschaften, mehr Einkommen aus dem Pilz- und Pflanzenanbau erzielen können als aus der industriellen Geflügelzucht. Unser Programm unterstützt die Landwirte dabei, ihre Ernten auf lokale und regionale Verkaufs- und Vertriebskanäle abzustimmen. Mehr Geld für die Landwirte bedeutet mehr Geld für die lokale ländliche Wirtschaft. Unsere Untersuchungen zeigen auch, dass die Landwirte ihre Betriebe autonomer führen und eine bessere Lebensqualität haben. Damit betreiben sie eine Form der Landwirtschaft, die besser für sie selbst, die Umwelt und die Tiere ist.

Auf Eurer Website steht, dass die meisten ehemaligen Geflügelzüchter den Pilzanbau am praktikabelsten finden. Könnt Ihr Gründe dafür nennen?

Letztendlich entscheidet der Landwirt, was er anbauen will. Edelpilze sind eine gute Option für Landwirte, weil die Nachfrage nach ihnen in den USA wächst, die Wachstumszeit vom Beginn bis zur Ernte kurz ist und die Kosten für die Versorgung relativ niedrig sind, was zu höheren Gewinnspannen führt.

Bekommen alle Höfe, die Ihr unterstützt, auch eine finanzielle Förderung?

Die Landwirte, die an unserem Programm teilnehmen, können sich für unseren Forschungs- und Innovationszuschuss bewerben, um die Umstellung ihres Betriebs zu beginnen. Im Rahmen des Programms nehmen sie auch an Kursen für landwirtschaftliche Unternehmen und für den Anbau von Pilzen oder anderen Kulturen teil. Transfarmation stellt Finanzierungsmöglichkeiten und Programme zusammen und unterstützt die Landwirte bei der Antragstellung.

In welchem Bereich liegen die Gesamtkosten für die Umstellung von einem Geflügelbetrieb zu einem Pflanzen- oder Pilzbetrieb? Wie lange dauert der Prozess?

Die Budgets sind unterschiedlich. Unsere Forschungs- und Innovationszuschüsse bewegen sich zwischen 10 und 15.000 US-Dollar, mit dem Ziel, ein neues Unternehmen zu gründen, das der Landwirt skalieren und diversifizieren kann. Einige Umstellungen sind teurer, wobei die Gesamtinvestitionen je nach gewählter Kultur zwischen 100.000 und 360.000 US-Dollar liegen. Der Prozess kann je nach Landwirt zwischen einem Jahr und mehreren Jahren dauern.

Das Interview führten Dr. Claudia Gerlach und Christina Ledermann.

 

Mercy For Animals (MFA) ist eine 1999 gegründete Tierschutzorganisation in den USA. Ihre Mission ist es, die industrielle Tierhaltung zu beenden und ein gerechtes und nachhaltiges Lebensmittelsystem aufzubauen. Sie kämpft für eine Welt, in der wir uns mit Lebensmitteln ernähren, die tierfreundlich und nachhaltig für den Planeten sind, in der Essen ein Akt des Mitgefühls ist und in der niemand ausgebeutet oder gezwungen wird, einen anderen auszubeuten.