Am 8. Oktober hat das Europaparlament für ein Verbot von Produktbezeichnungen wie „Veggieburger“ oder „Sojaschnitzel“ gestimmt. Es steht aber noch die Zustimmung der EU-Staaten aus. Menschen für Tierrechte wird in den nächsten Wochen die Bundesregierung darauf drängen, in der EU nicht dafür zu stimmen. Statt sich einseitig für die schädliche Fleischproduktion einzusetzen, sollten sich die Regierungen der EU der Zukunftsaufgabe stellen, wie eine wachsende Weltbevölkerung zukünftig innerhalb der ökologischen Belastungsgrenzen ernährt werden kann. Die Lösung dafür – die Planetary Health Diet – liegt ebenso auf dem Tisch wie die nötigen Maßnahmen.
Das Europaparlament hat sich tatsächlich mehrheitlich dafür ausgesprochen, Bezeichnungen wie „Veggie-Schnitzel“ oder „Tofu-Wurst“ zu verbieten. Eine Mehrheit aus Rechtsaußen-Fraktionen und Teilen der konservativen Fraktion um CDU und CSU stimmte für eine entsprechende Gesetzesänderung. Dieser zufolge sollen Begriffe wie „Schnitzel, Wurst oder Steak“ nur noch für tierische Lebensmittel verwendet werden dürfen. Die Entscheidung geht nun in die Verhandlungen mit den 27 EU-Ländern. 355 Abgeordnete stimmten für die entsprechende Gesetzesänderung, 247 dagegen. Die Mehrheit der deutschen Europaabgeordneten von CDU und CSU votierten gegen den Antrag.
Regierung will alternative Proteine stärken
Hier darf die Frage erlaubt sein, ob die hochbezahlten EU-Abgeordneten nichts Besseres zu tun haben, als sich gegen Bezeichnungen wie „Veggie-Schnitzel, Tofu-Wurst und Erbsen-Burger“ einzusetzen. Pflanzliche Fleischalternativen sind nicht der Feind der Landwirte – im Gegenteil. Pflanzliche Produkte wie Leguminosen sind ein wichtiger Teil der Lebensmittelversorgungskette und tragen zum Einkommen für Landwirt:innen in der EU bei. Zudem haben CDU, CSU und SPD im Koalitionsvertrag vereinbart, eine umfassende und ambitionierte EU-Eiweißstrategie zu unterstützen und den heimischen Anbau von Eiweißpflanzen sowie Entwicklung und Markteinführung nachhaltiger alternativer Proteine stärken zu wollen.
Die Gesetzesänderung steht also im kompletten Widerspruch zu den Plänen der Bundesregierung, alternative Proteinquellen zu fördern. Hinzukommt, dass die Koalitionäre den Selbstversorgungsgrad mit Obst und Gemüse erhöhen wollen. Dieser dümpelt in Deutschland beim Gemüse bei 37 Prozent und beim Obst bei nur 20 Prozent. Die Bundesregierung und die deutschen EU-Abgeordneten sollten diesen schädlichen Antrag ablehnen und sich stattdessen mit den dringenden Herausforderungen beschäftigen. Es geht dabei mitnichten um Verbraucherschutz, es geht schlicht darum, der Fleischlobby einen Vorteil zu verschaffen, indem man pflanzliche Produkte durch eine Verzerrung des Wettbewerbs benachteiligt.
Klimawandel bedroht Welternährung
Nötig ist etwas ganz anderes: Nämlich unser Agrarsystem fit zu machen, um die Bevölkerung auch in Zukunft noch ernähren zu können. Denn der Klimawandel bedroht zunehmend die Welternährung. Studien zeigen, dass höhere Temperaturen und extremere Wetterbedingungen wie Dürren, Hitzewellen und Überschwemmungen die Ernteerträge reduzieren und die Fläche an fruchtbarem Land für die überlebensnotwendige Nahrungsmittelproduktion verringern. Ein Drittel der landwirtschaftlichen Flächen weltweit könnte zum Ende des Jahrhunderts nicht mehr nutzbar sein, wenn die Emissionen weiter ungebremst steigen. Dass dadurch die Lebensmittelpreise steigen, spüren die Verbraucher:innen bereits jetzt durch die Preissteigerungen bei Produkten wie Olivenöl, Kakao und Kaffee, die zunehmend zu Luxusgütern werden.
Zukunftsaufgabe Agrar- und Ernährungswende
Statt sich dieser zentralen Zukunftsaufgabe zu stellen und Lösungen zu suchen, verwenden sich die EU-Abgeordneten lieber für die Fleischindustrie, die – zusammen mit der Produktion von anderen tierischen Produkten – für 84 Prozent der Treibhausgase in der EU-Landwirtschaft verantwortlich ist. Neben dem Ausstoß von Treibhausgasen bedingt die industrielle Tierhaltung zudem millionenfaches Tierleid, verbraucht unverhältnismäßig viel Fläche, zerstört Biodiversität und belastet Böden, Wasser und Luft. Dabei legt die Lösung längst auf dem Tisch: Führende Wissenschaftler fordern seit Langem die Einführung einer pflanzenbasierten Planetary Health Diet. Nur mir ihr kann es gelingen, eine Weltbevölkerung von 10 Milliarden im Jahr 2050 innerhalb der ökologischen Belastungsgrenzen der Erde zu ernähren.
Nötigen Maßnahmen sind bekannt
Auch die richtigen Maßnahmen sind bekannt: Nötig ist die Abschaffung der Mehrwertsteuer für pflanzliche Nahrungsmittel und eine höhere Besteuerung tierischer Produkte, um die Umweltfolgekosten einzupreisen. Um die Klimaziele zu erreichen, ist zudem eine Reduzierung der Tierbestände – um möglichst um 80 Prozent bis 2030 – nötig sowie Ausstiegsprämien und Förderprogramme für Landwirt:innen, die aus der Tierhaltung aussteigen. Schädliche Subventionen für die industrielle Tierhaltung, Stallbauten, Schlachtbetriebe, etc., müssen beendet und die Agrarpolitik insgesamt ökologisiert werden. Außerdem brauchen wir eine Informations- und Bildungskampagne für pflanzliche Ernährungsformen, mehr pflanzenbasierte Mahlzeiten in allen öffentlichen Einrichtungen und ein Öko-Labels, das die Umweltfolgekosten von Produkten ausweist.
Sehr geehrte Bundesregierung, tun Sie, was wirklich nötig ist. Setzen Sie sich dafür ein, dass der Bevölkerung auch morgen noch ausreichend gesunde Lebensmittel zur Verfügung stehen. Dies ist auch im ureigensten Interesse der Landwirt:innen.
