Allgemein

Tierschutz-Kahlschlag geht weiter: Berlin stellt Landestierschutzbeauftragte frei

Jetzt ist passiert, was sich lange angekündigt hatte: Die Justizverwaltung hat die Berliner Landestierschutzbeauftragte anscheinend von ihrem Dienst als Landestierschutzbeauftragte des Landes Berlin freigestellt. Beim Blick auf die Vorgänge der letzten drei Jahre lässt vermuten, dass die CDU auf diesem Wege eine kritische Stimme für den Tierschutz loswerden will.

Im November 2020 wurde die Tierärztin Kathrin Herrmann zur Berliner Landestierschutzbeauftragten benannt, damals noch unter einem rot-grün geführten Berliner Senat. Schon kurz nach dem Regierungswechsel zu einer schwarz-roten Koalition Ende April 2023 zeichnete sich ein Tierschutz-Kahlschlag in der Hauptstadt ab. Die Tierschutzbeauftragte stand unter Beschuss, insbesondere durch die CDU geführte Hausleitung der Justiz- und Verbraucherschutzverwaltung mit ihrer Justizsenatorin Felor Badenberg. Sie strich Herrmanns Budget für 2024 radikal zusammen. Nun wurde Kathrin Herrmann von ihrem Dienst als Landestierschutzbeauftragte freigestellt – die Gründe hierfür sind unbekannt.

Geheimhaltung interner Informationen
Besonders problematisch ist, dass die Information über die Freistellung offenbar gezielt den Medien zugespielt wurde. Der rbb und der Tagesspiegel berichteten kurz nach der internen Freistellung mit nachweislich nicht korrekten Behauptungen, z. B. dass Herrmann bereits gekündigt worden sei. Die Senatsverwaltung versucht anscheinend, Kathrin Herrmann zu kündigen. Gegen die vier Abmahnungen hat Kathrin Herrmann Klage erhoben.

Maulkorb für die Tierschutzbeauftragte
Die Vorgänger-Regierung mit dem grünen Senator Dirk Behrendt hatte das Amt der Tierschutzbeauftragen bewusst so angelegt, dass es fachaufsichtlich weisungsfrei ist. Die Beauftragte sollte eine eigenständige Presse- und Öffentlichkeitsarbeit betreiben können. Dies war der CDU-geführten Hausleitung offensichtlich ein Dorn im Auge. Die Senatorin kündigte im Frühjahr 2024 an, die Tierschutzbeauftragte in die Behördenhierarchie der Justizsenatsverwaltung einzugliedern. In der Folge kam es zu Uneinigkeiten über die Pressearbeit.

Herrmann zu kritisch
Alles sprach damals dafür, dass die Senatorin der engagierten Tierärztin damit einen Maulkorb verpassen wollte. Denn Kathrin Herrmann legte, wie von ihrem Amt gefordert, immer wieder ihre Finger in Wunden. Als die Berliner Zeitung beispielsweise im Jahr 2023 über Missstände bei der Genehmigung von Tierversuchen in Berlin berichtete, forderte Herrmann Aufklärung. Ende 2023 sagte sie in einer Pressemitteilung, dass es nicht nachvollziehbar sei, weshalb die Staatsanwaltschaft ein Strafverfahren gegen einen Mann eingestellt hat, der beschuldigt wurde, Tauben gequält und getötet zu haben.

Berlin stellt Stadttaubenkonzept in Frage
Ärger gab es auch wegen der Umsetzung des Stadttaubenmanagements: In dem im April 2023 veröffentlichten Koalitionsvertrag von CDU und SPD heißt es: „Für mehr Sauberkeit in der Stadt wollen wir ein Taubenmanagement etablieren mit dem Ziel, die Taubenpopulation zu reduzieren.“ Kurz darauf legte Kathrin Herrmann ein umfangreiches Konzept für ein tierschutzgerechtes Stadttaubenmanagementkonzept in Berlin vor. Doch das fachlich gute Konzept wurde von der Senatsverwaltung in Zweifel gezogen.

Möglicher Einsatz von tierschutzwidrigen Maßnahmen
Plötzlich hieß es, es solle auch um Maßnahmen wie „Tierarzneimittel oder die Ansiedlung von natürlichen Fressfeinden“ gehen. Mittel, die nachweislich unwirksam, möglicherweise sogar tierschutzwidrig sind. Man befürchte zudem, dass durch betreute Taubenschläge die „Anzahl der Tiere ansteigen würde“ und verwies auf Erkenntnisse des niedersächsischen Tierschutzbeirats. Tatsache ist, dass Niedersachsen den Kommunen das tierschutzgerechtes Stadttaubenmanagementkonzept offiziell empfiehlt. Auch andere Initiativen, die politisch nicht mehr gewollt sind, mussten beendet werden. So beendete die Hausleitung eine lange geplante Kampagne über die Zusammenhänge von Tierhaltung, Klimaschutz und Gesundheit. Hinzu kam, dass die Senatorin angekündigte, den wichtigen Normenkontrollantrag zur Überprüfung der Schweinehaltung zurückzuziehen.

Auf der Kippe: Tierschutz-Verbandsklagerecht
Auf der Streichliste steht offensichtlich auch das Berliner Verbandsklagegesetz (TSVKG). Ende Januar 2025 diskutierte der Ausschuss für Wissenschaft und Forschung über „Aufwand und Nutzen des Tierschutzverbandsklagegesetzes – Auswirkungen auf Genehmigungsverfahren von Forschung in Berlin“. CDU und SPD hatten angekündigt, das Gesetz „zu qualifizieren“, währenddessen schrieb die Tierversuchslobby alle Berliner Politiker:innen an, um gegen das Gesetz mobil zu machen.

Kontrollfunktion nicht mehr möglich
Die Beschneidung der Befugnisse Herrmanns sorgte innerhalb der großen Koalition anfänglich noch für Ärger. Die SPD warf der Senatorin „schlechten Stil“ vor. Die Landestierschutzbeauftragte solle auf Linientreue gebracht werden und sich CDU-Positionen unterordnen. Sie müsse politisch und fachlich unabhängig sein. Es müsse ihr möglich sein, ihr Kontroll- und Appellrecht unabhängig auszuüben. Dazu gehöre auch, dass sie öffentlich eine andere Meinung als die der Senatorin vertritt. Wenn sie nur noch die Senatsmeinung wiedergeben dürfe, könne sie ihre Kontrollfunktion nicht mehr erfüllen. Menschen für Tierrechte und andere Tierschutz- und Tierrechtsorganisationen sind zutiefst besorgt, über die Entwicklungen. Sie appellierten mehrfach an die Verantwortlichen, unter anderem in einem Offenen Brief, das Amt der Landestierschutzbeauftragten in der ursprünglichen Form zu erhalten und am Normenkontrollantrag festzuhalten.

Bitte unterzeichnen Sie dazu auch die Petition: Kathrin Herrmann im Dienst behalten!

Hier lesen Sie den Offenen Brief eines breiten Bündnisses von Tierschutzorganisationen.