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Tierschutzbilanz der Ampel: Viel versprochen – zu wenig gehalten!

Die tierschutzpolitische Bilanz der Ampel, die von Ende 2021 bis Februar 2025 regierte, ist höchst durchwachsen. Die Grünen waren zwar bemüht, möglichst viele Pläne aus dem Koalitionsvertrag umzusetzen. Die zentralen Vorhaben, wie die Reform des Tierschutzgesetzes, scheiterten jedoch an der Blockade der FDP, an fehlender Unterstützung durch die SPD, am Ampel-Aus oder im Fall der Tierhaltungskennzeichnung schlicht am Konzept. Die Gesetzentwürfe waren zu schwach und die Ampel knickte zu schnell vor den Lobbys ein. Was von den positiven Neuerungen, wie der Ernährungsstrategie, der Reduktionsstrategie für Tierversuche, der Bundestierschutzbeauftragten oder dem Chancenprogramm Höfe nach der Wahl übrigbleibt, steht in den Sternen.

Beispiel Tierschutzgesetz: Es sollte die umfangreichste tierschutzrechtliche Reform der vergangenen Jahrzehnte werden. Mit der Reform hätte die Ampel einige ihrer Ankündigungen aus dem Koalitionsvertrag einlösen können. Doch leider bedeutete das Aus der Ampel-Koalition am 6. November 2024 auch das Aus der Reform des Tierschutzgesetzes. Fast zwei Jahre zog sich der schwierige Prozess, in dessen Folge die ursprünglich ansehnliche Novelle zu einem Reförmchen zusammengeschrumpfte. Zu verdanken war dies einem wahren Lobbysturm. Tierversuchskundler, Wissenschafts- und Bauernverbände, Schweinezüchter, Rinderhalter und Hundezüchter machten monatelang mit meist absurden Behauptungen Druck auf die Ampel – mit Erfolg. Was von der Reform übrig blieb, war nicht nur schwach, es war stellenweise sogar verfassungswidrig.

Nullrunde für die Tiere
Wenn das Gesetz noch verabschiedet worden wäre, hätte es an einigen Stellen dennoch Verbesserungen für die Tiere gebracht. Geplant waren beispielsweise höhere Strafen für Tierschutzverstöße, mehr Kontrollmöglichkeiten für Behörden, die Einführung einer verpflichtenden Videoüberwachung in größeren Schlachthöfen und strengere Vorgaben für Amputationen, wie das Enthornen von Kälbern oder das Kupieren von Ferkelschwänzen. Auch die Konkretisierung des Qualzuchtparagrafen hätte Verbesserungen bringen können. Dies wäre besser als nichts gewesen, denn die Tiere können alles brauchen, was ihr Leid zumindest mindert. Was bleibt ist ein Gesetzentwurf, den die CDU vermutlich so schnell wie möglich in der Schublade verschwinden lässt – leider eine Nullrunde für die Tiere.

Beispiel Tierhaltungskennzeichnung
Im Koalitionsvertrag hatten die Ampelparteien angekündigt, 2022 eine verbindliche Tierhaltungskennzeichnung einzuführen, die auch Transport und Schlachtung umfasst. Dies gelang nur teilweise. Im August 2023 trat das Tierhaltungskennzeichnungsgesetz in Kraft. Dieses regelt die verpflichtende Kennzeichnung von Schweinefleisch in fünf Haltungsstufen. Die Tierschutzseite hatte sich zwar immer für ein verpflichtendes Label ausgesprochen – jedoch nicht in dieser Form. Zunächst wird nur das Frischfleisch von Schweinen gelabelt, d.h. es wird nur ein Drittel des Fleisches von nur einer Tierart von der Kennzeichnung erfasst.

Ausbau der Kennzeichnung ungewiss
Die Grünen geben zwar an, die Kennzeichnung auch auf andere Tierarten ausweiten sowie die Außer-Haus-Verpflegung ausweiten zu wollen, doch ob dies nach der Wahl umgesetzt wird, steht in den Sternen. Außerdem erfasst die Kennzeichnung nicht alle Aspekte der Tierhaltung. Anders als im Koalitionsvertrag angekündigt, werden – außer bei der höchsten Bio-Stufe – nur die Haltungsstandards in der Mast erfasst. Die Bedingungen bei Aufzucht, Transport und Schlachtung fließen nicht ein. Dabei kommt es auch in diesen Bereichen zu massiven Tierschutzverstößen.

Label wertet Fleisch aus schlechte Haltung auf
Als besonders problematisch gelten die untersten Haltungsformen „Stall“ (konventionelle Massentierhaltung) und „Stall+Platz“. Die letztere gesteht den Tieren nur 12,5 Prozent mehr Platz zu – ein Etikettenschwindel. Denn die Bezeichnung „Stall+Platz“ gaukelt Konsument:innen vor, dass den Tieren erheblich mehr Platz zur Verfügung steht. Dabei leben sie nach wie vor in einer engen Mastanlage. Spaltenböden, Kastenstände, Amputationen und tierquälerische Betäubungsmethoden sind noch immer zulässig. Fazit: Eine Kennzeichnung, die Tierleid weiterhin festschreibt, teilweise sogar auszeichnet, nützt lediglich der Fleischindustrie. Statt mehr Transparenz zu schaffen, wertet sie Fleisch aus schlechten Tierhaltungsbedingungen auf.

Özdemir legt Vorschläge für Tiertransportverbot vor
Geht man nach dem Koalitionsvertrag sollten „Lebendtiertransporte in Drittstaaten künftig nur erlaubt sein, wenn sie auf Routen mit nachgewiesen tierschutzgerechten Versorgungseinrichtungen stattfinden.“ Dieses Versprechen hielt die Ampel nicht ein. Tierschutz- und Tierrechtsverbände wie Menschen für Tierrechte fordern seit Jahren ein Verbot. Es liegen mehrere rechtwissenschaftliche Gutachten vor, die belegen, dass ein nationales Verbot grundsätzlich möglich ist. Özdemir setzte sich zwar auf EU-Ebene für strengere Regelungen ein, beharrte aber darauf, dass ein nationaler Alleingang rechtlich nicht möglich sei. Bis zum 14. Februar 2025.

Warum erst jetzt?
An diesem Tag legte das BMEL der EU-Kommission Eckwerte vorgelegt, um lebende Tiere bei Transporten aus der EU heraus besser zu schützen. Danach soll die Ausfuhr lebender Tiere nur noch dann erlaubt werden, wenn die jeweiligen Drittländer (Zielländer und Transitländer) sich in einer Vereinbarung verpflichten, bestimmte Tierschutzstandards einzuhalten. Die Eckwerte sehen auch die Schaffung einer nationalen Regelung vor. Wenn das jeweilige Drittland sich nicht zur Einhaltung bestimmter Tierschutzstandards verpflichtet, kann der Export der Tiere in diese Länder verboten werden. Es ist zwar gut, dass der grüne Minister endlich aktiv wird. Doch man fragt sich, warum erst jetzt kurz vor der Wahl? Das Eckpunktepapier ist nicht mehr als ein Vorschlag und bestenfalls eine Handlungsaufforderung für die nächste Bundesregierung. Es ist zu befürchten, dass eine CDU-geführte Regierung keine neue Tierschutzregelungen gegen die finanziellen Interessen der Tierhalter einführt.

Beispiel Bundestierschutzbeauftragte
Am 12. Juni 2023 trat die erste Tierschutzbeauftragte der Bundesregierung offiziell ihr Amt an. Die Einführung des Amtes und die Besetzung mit der engagierten Tierärztin Ariane Kari wurden von Tierschutzseite sehr begrüßt, trägt das Amt doch dazu bei, der wachsenden gesellschaftlichen Bedeutung des Tierschutzes eine Stimme zu geben. Der tatsächliche Einfluss der Tierschutzbeauftragte ist indes gering. Ihre Möglichkeiten sich auf Stellungnahmen, Beratung der Bundesregierung und Öffentlichkeitsarbeit. Das Amt ist dennoch bedeutsam. Ariane Kari gelang es in ihrer kurzen Amtszeit, die Tierschutz- und Tierrechtsorganisationen zu vernetzen, ihre Forderungen zu bündeln und diese bei den politischen Entscheidern zu platzieren. Ob es nach dem Regierungswechsel noch eine Tierschutzbeauftragte geben wird, ist jedoch höchst ungewiss.

Tierversuche: Reduktionsstrategie darf nicht in der Schublade verschwinden
Die im Koalitionsvertrag angekündigte Reduktionsstrategie für Tierversuche wurde im September 2024 angegangen. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft startete einen Beteiligungsprozess mit Experten aus Wissenschaft, Forschung, Wirtschaft und Tierschutzorganisationen. Auch Menschen für Tierrechte setzte sich in den Workshops für ein Maximum an Tierschutz ein. Ziel der Strategie sollte die Etablierung praxisreifer tierversuchsfreier Verfahren sein. Menschen für Tierrechte hatte jahrelang auf die Umsetzung dieses Versprechens gedrängt und zwei Maßnahmenpläne dafür vorgelegt. Kritikwürdig ist die Unterfinanzierung, denn die in Aussicht gestellten zwei Millionen Euro sind zu wenig. Das zentrale Problem war jedoch die späte Erarbeitung der Strategie, deren Ergebnisse erst im Februar 2025 vorgestellt werden sollen. Die Gefahr ist groß, dass auch diese gemeinsame Arbeit von Wissenschaft, Industrie und Tierschutz nach dem Regierungswechsel in der Schublade verschwindet.

Umbau der Tierhaltung unterfinanziert
Zum Umbau der Tierhaltung hieß es im Koalitionsvertrag: „Wir wollen die Landwirte dabei unterstützen, die Nutztierhaltung in Deutschland artgerecht umzubauen. Dafür streben wir an, ein durch Marktteilnehmer getragenes finanzielles System zu entwickeln, mit dessen Einnahmen zweckgebunden die laufenden Kosten landwirtschaftlicher Betriebe ausgeglichen und Investitionen gefördert werden ohne den Handel bürokratisch zu belasten.“ Die Umsetzung dieser kryptischen Ankündigung gelang der Ampel nicht. Bis zuletzt blieb die Finanzierung des Umbaus der Tierhaltung ungeklärt. Es wurde zwar ein Bundesprogramm zur Förderung des Umbaus der landwirtschaftlichen Tierhaltung aufgelegt. Doch dieses war mit der Anschubfinanzierung von einer Milliarde Euro unterfinanziert.

FDP blockiert Tierwohlabgabe
Die von Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir favorisierte Finanzierung über eine sogenannte Tierwohlabgabe bzw. einen Tierschutz-Cent auf alle tierischen Produkte wurde von der FDP blockiert. Dabei war eine Tierwohlabgabe bereits 2020 von dem Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung, auch Borchert-Kommission genannt, empfohlen worden. Auch ein juristisches Gutachten bewertete eine verpflichtende Tierwohlabgabe als realistische Möglichkeit, den Umbau der Tierhaltung zu finanzieren. Kern war die verpflichtende Kennzeichnung unterschiedlicher Haltungsstufen und die finanzielle Förderung des Umbaus. Nach Schätzungen der Kommission wäre dafür ein jährlicher Förderbedarf in Höhe von etwa vier Milliarden Euro nötig.

Keine Mehrwertsteuer-Senkung möglich
Da die Ampel kein tragfähiges Finanzierungskonzept für den Umbau der Tierhaltung vorlegte, gab die Borchert-Kommission Ende August 2023 ihre Auflösung bekannt. Schuld daran war vor allem die FDP. Sie weigerte sich, die Mittel im Bundeshaushalt aufzustocken und blockierte gleichzeitig eine alternative Finanzierung. Ähnlich war der Ablauf bei dem Vorschlag, die Mehrwertsteuer auf pflanzliche Lebensmittel zu senken. SPD und Grüne hatten Ende August 2023 nochmals einen Vorstoß für eine entsprechende Steuersenkung gewagt – vergeblich. Eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel war mit der FDP nicht zu machen.

Strategie soll pflanzliche Ernährung stärken
Ein erfolgreiches Vorhaben war die Ernährungsstrategie, die das Kabinett am 17. Januar 2024 beschloss. Ein zentrales Ziel der Strategie ist eine pflanzenbetonte Ernährung. Die Strategie soll Verbraucher:innen dabei unterstützen, sich gesund, stärker pflanzenbetont und nachhaltig im Alltag zu ernähren. Doch was aus der Ernährungsstrategie nach der Wahl wird, ist unklar. Einen Haken können die Koalitionäre auch an die Aktualisierung der Standards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) machen. Seit dem Frühjahr 2024 empfiehlt die DGE einen stärkeren Konsum pflanzlicher Lebensmittel bei gleichzeitiger Reduzierung tierischer Produkte. Die tägliche Ernährung soll danach zu mehr als drei Vierteln aus pflanzlichen Lebensmitteln bestehen.

Positiv: Förderung des Umstiegs auf alternative Proteine
Eine weitere erfreuliche Neuerung war die Einführung des Kompetenzzentrums „Proteine der Zukunft“ sowie das Chancenprogramm Höfe. Beide sollten eine pflanzliche Ernährung stärken und Landwirte dabei unterstützen, in den Märkten mit alternativen und pflanzlichen Proteinen Fuß zu fassen. Zu den förderungswürdigen Alternativen zählen Pflanzenproteine oder Quellen wie Pilze und Algen sowie neue Verarbeitungstechnologien.

Fazit: Durchwachsene Bilanz – Nachhaltigkeit fragwürdig
Die tierschutzpolitische Bilanz der Ampel ist höchst durchwachsen. Die Grünen waren zwar bemüht, möglichst viele Pläne aus dem Koalitionsvertrag umzusetzen. Zentrale Vorhaben, wie die Reform des Tierschutzgesetzes, scheiterten jedoch an der Blockade der FDP, am Ampel-Aus oder im Fall der Tierhaltungskennzeichnung schlicht am Konzept. Die SPD hielt sich bei den Auseinandersetzungen zwischen Grünen und FDP zu sehr im Hintergrund und versagte dabei, dem grünen Koalitionspartner den Rücken zu stärken. Aus strategischer Sicht war es ein Fehler, dass Özdemir nicht ambitioniertere Gesetzentwürfe einbrachte. Wer viel erreichen will, muss seine Forderungen hoch ansetzen. Ein Fehler war auch, dass Özdemir viel zu schnell vor den Lobbys einknickte. Die selbsternannte Fortschrittskoalition für eine zukunftsfähige Landwirtschaft hat drei Jahren Amtszeit zwar diverse neue Gesetze und Initiativen angeschoben, doch diese haben bisher wenig bis keine nennenswerten Effekte für die leidenden Tiere. Was von den positiven Neuerungen, wie der Ernährungsstrategie, der Bundestierschutzbeauftragten oder dem Chancenprogramm Höfe, nach der Wahl am übrigbleibt, steht derzeit in den Sternen. Leider!