Allgemein Wildtiere und Exoten

Rückschlag für den Artenschutz: Europa erleichtert Abschuss von Wölfen

Eine Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten hat am 25. September 2024 beschlossen, den Schutzstatus des Wolfs in der Berner Konvention von „streng geschützt“ auf „geschützt“ abzusenken. Dies öffnet die Tür für die Tötung von Wölfen. Dabei zeigen Untersuchungen, dass fachgerechte Herdenschutzmaßnahmen die effektivste Möglichkeit sind, um Übergriffe von Wölfen zu reduzieren. Tatsächlich liegen die wirklichen Tierschutzprobleme ganz woanders.

Die meisten Weidetiere sind nur unzureichend geschützt
Im Jahr 2021 wurden in Deutschland 3.374 Weidetiere getötet oder verletzt, bei denen Wölfe als Verursacher nachgewiesen oder nicht ausgeschlossen werden konnten. In Deutschland betrifft ein Großteil der wolfsverursachten Schäden nicht oder nicht korrekt geschützte Weidetiere. Bei über 80 Prozent der Wolfsübergriffe auf Schafe waren keine korrekt angewandten Herdenschutzmaßnahmen vorhanden. Bei den meisten Wolfsübergriffen sind die Tierhalter:innen demnach selbst schuld. Die EU-Kommission legte in ihrem Bericht keine Belege dafür vor, dass Abschüsse die Übergriffe auf sogenannte Weidetiere verringern (1). Wissenschaftler sehen fachgerechte Herdenschutzmaßnahmen als die effektivste Möglichkeit, um Übergriffe auf Weidetiere zu reduzieren, nicht die Tötung von Wölfen. Bund und Länder finanzieren diese Herdenschutzmaßnahmen zu 100 Prozent.

Entscheidung untergräbt Artenschutz
Die Entscheidung untergräbt nicht nur jahrzehntelange Naturschutzbemühungen, sondern stellt auch einen erheblichen Rückschlag für das dar, was als einer der bemerkenswertesten Erfolge der EU im Bereich des Artenschutzes gefeiert wird: die Rückkehr des Wolfes nach seinem Fast-Aussterben.
Der Bundesverband Menschen für Tierrechte und 300 andere Organisationen hatten zuvor die EU in einer gemeinsamen Erklärung aufgerufen, den Wolfsschutz zu stärken, statt ihn abzuschwächen.

Persönliche Motive statt wissenschaftlichen Erkenntnissen
Mit der Annahme des Vorschlags der EU-Kommission unterstützen die Mitgliedstaaten auch persönlich motivierte Haltungen, die sich über wissenschaftliche Erkenntnisse hinwegsetzen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nutzte ihre politische Macht, um sich persönlich an den Wölfen zu rächen und gleichzeitig den Landwirten zu gefallen. Seit ihr Pony Dolly im Jahr 2022 auf tragische Weise von einem Wolf getötet wurde, hat sie ihren Einfluss genutzt, um die EU-Gesetzgebung durch die Hintertür zu ändern.

Schlüsselart für gesunde Ökosysteme
Wölfe sind sowohl durch die Berner Konvention als auch durch die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie streng geschützt. Sie gelten als Schlüsselart für gesunde Ökosysteme und die Artenvielfalt. Eine Schwächung ihres Schutzes behindert die weitere Erholung der Wolfspopulationen untergräbt die Bemühungen für ein Zusammenleben. Aus Sicht der Wissenschaft ist die Erholung der Wölfe noch nicht abgeschlossen. Die wichtigsten Ziele der Berner Konvention und der FFH-Richtlinie – die Wiederherstellung gefährdeter Arten – sind nach wie vor nicht erreicht. Die Wolfspopulationen in der EU befinden sich in sechs von sieben biogeografischen Regionen in einem ungünstigen oder unzureichenden Erhaltungszustand. Dies geht aus den jüngsten Bewertungen gemäß Artikel 17 der FFH-Richtlinie hervor.

Zum Abschluss sei noch eine Frage zur Verhältnismäßigkeit gestattet:
Die im Jahr 2021 3.374 getöteten oder verletzten Weidetiere stehen einer ganz anderen Zahl von Tieropfern gegenüber: In Deutschland sterben jährlich nahezu eine Milliarde Tiere. Mehr als 150 Millionen verenden vor Erreichen des Schlachthofes an den furchtbaren Haltungsbedingungen. Hunderttausende werden wegen Tierseuchen  gekeult, kommen bei Stallbränden ums Leben, sterben bei Tiertransporten oder weil sie von schlecht gesicherten Weiden entlaufen. 3.400 vom Wolf gerissene Tiere entsprechen umgerechnet 0,0004 Prozent dieser Tiere. Dies zeigt: Die wirklichen Tierschutzprobleme liegen woanders. Nicht der Wolf ist der Übeltäter, sondern der Mensch!

(1) Die Situation des Wolfes (canis lupus) in der Europäischen Union https://op.europa.eu/en/publication-detail/-/publication/5d017e4e-9efc-11ee-b164-01aa75ed71a1/language-en