Anlässlich der Landtagswahl in Brandenburg am 22. September hat der Bundesverband Menschen für Tierrechte die Wahlprogramme der wichtigsten Parteien ausgewertet. Dabei legt der Tierrechtsverband besonderen Fokus darauf, ob die Parteien eine Agrar- und Ernährungswende hin zu einer pflanzenbasierten Produktion verfolgen und ob sie den Ausstieg aus dem Tierversuch voranbringen wollen. Das Ergebnis: Eine Wende in der Agrar- und Ernährungspolitik ist in Brandenburg mit Ausnahme der Grünen weder mit SPD, CDU noch mit AFD oder BSW zu erwarten. Statt auf eine pflanzenbasierte Ernährung zu setzen, wollen diese Parteien die sogenannte Nutztierhaltung sogar noch ausbauen. Auch der Ausstieg aus dem Tierversuch steht nicht auf der politischen Agenda.
Aktuell wird Brandenburg von einer rot-schwarz-grünen Koalition unter Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) regiert. Die Umfragen sehen ein knappes Ergebnis voraus. Nach diesem liegt die AfD mit 27 Prozent auf Platz eins, dahinter folgen SPD (26 Prozent), CDU (16 Prozent) und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) mit 13 Prozent. Danach folgen die Grünen (knapp unter 5 Prozent), BVB/Freie Wähler (knapp unter 5 Prozent) und die Linke (4 Prozent). Für sonstige Parteien, unter die auch die Tierschutzpartei fällt, sagen die Umfragen 4 Prozent voraus. Da alle Parteien eine Koalition mit der AfD ausgeschlossen haben, wird diese – trotz der hohen Umfragewerte – voraussichtlich die größte Oppositionspartei im Brandenburger Landtag werden. Der Verfassungsschutz stuft mehrere Mitglieder der Brandenburger AfD-Fraktion als rechtsextremistisch ein, unter anderem den Fraktionsvorsitzenden Hans-Christoph Berndt.
SPD: Wo bleibt der Tierschutz?
Die Analyse der Wahlprogramme zeigt, dass der Tierschutz im Programm der brandenburgischen SPD kaum eine Rolle spielt. Sie will sogar „intensiv daran arbeiten, die Anzahl der landwirtschaftlichen Nutztiere wieder zu erhöhen“. Tierhaltung sei für die Wertschöpfung im ländlichen Raum elementar. Einen Schwerpunkt will die SPD dabei auf die Weidetierhaltung legen. Außerdem will sie Möglichkeiten schaffen, Tierheime kontinuierlich zu fördern. Für den Wolf sieht sie die Notwendigkeit eines „bestandsorientierten Umgangs“. Die aktuellen Regelungen für den Schutz von Weidetieren hält sie für untauglich. Zu Tiertransporten und Tierversuchen äußert sich die brandenburgische SPD nicht.
CDU will tiergebundene Landbewirtschaftung
Die CDU will die tiergebundene Landwirtschaft „mindestens auf jetzigem Stand erhalten – und bei Bedarf ausweiten“. Quotenvorgaben zum Anteil von Bio-Lebensmitteln lehnt die Partei ab, Milchviehbetriebe sollen als energieintensiv anerkannt werden. Die Themen pflanzliche Ernährung oder Tierversuche kommen im Wahlprogramm nicht vor. Deutlich konkreter wird der Landesverband beim Thema Wolf und bei der Jagd: Durch eine „aktive Bestandsregulierung“ des Wolfes soll der heimische Wildbestand gesichert werden. Die CDU will Jäger in das Management und die Schadensprävention weiterer Wildarten einbeziehen und Neozoen konsequent bejagen. Änderungen beim Jagd- und Fischereirecht seien mit der Partei „nur mit einem ideologiefreien Interessensausgleich“ möglich.
AFD warnt vor veganer Ernährung
Die brandenburgische AFD setzt beim Tierschutz auf eine verbesserte Nutztierhaltung, eine konsequentere Umsetzung der Tierschutzgesetze, kurze Distanzen zum Schlachthof sowie ein gesetzlich verbindliches Kennzeichnungssystem für Haltungskonzepte, das „deutlich über das bisherige gesetzliche Mindestmaß hinausgeht.“ Eingriffe wie das Kupieren von Schwänzen oder das Schnabelkürzen lehnt die Partei ab. Sie fordert zudem regelmäßige Kontrollen von tierhaltenden Betrieben und eine bessere Ausstattung der Behörden. Eine Wende hin zu einer stärker pflanzenbasierten Ernährung verfolgt der Landesverband nicht – im Gegenteil: Im Sinne einer „vorbeugenden Gesundheitserziehung“ sollen Risikogruppen wie Schwangere, Kinder und Jugendliche vor veganer Ernährung gewarnt werden. Der Verband plädiert für die Aufnahme des Wolfes in die Jagdgesetzgebung, wobei Sozial- bzw. Rudelstruktur tierschutzgerecht mitberücksichtigt werden sollen. Der Jagddruck auf Waschbären soll erhöht werden, um die heimische Tierwelt zu schützen.
BSW will „Masterplan zur Stärkung der Tierhaltung“
Im Programm des BSW werden weder Tierschutz noch Tierversuche erwähnt. Da die „Belastung der viehhaltenden Betriebe“ zu einer Verlagerung der Tierproduktion in Länder mit geringeren Tierschutzstandards geführt habe, will das BSW einen Masterplan zur Stärkung der Tierhaltung auf den Weg bringen. Für Arten wie Wolf, Biber oder Kormoran will das BSW ein Wildtiermanagement einführen und Beeinträchtigungen von Betrieben finanziell ausgleichen.
Tierhaltung: Grüne planen Ausstiegprogramme
Der Landesverband der Grünen widmet dem Tierschutz mehrere Seiten in seinem Wahlprogramm. Mit Ausstiegsförderprogrammen wollen sie Betriebe dabei unterstützen, ihre Tierbestände zu reduzieren. Ställe und Haltung sollen an die Bedürfnisse der Tiere nach Bewegung, Tageslicht, Beschäftigung und Kontakt mit Artgenossen angepasst werden. Ein Förderprogramm soll Prämien für gesunde Tiere honorieren, unter anderem für Schweine mit intakten Ringelschwänzen. Die Brandenburger Grünen unterstützen die Einführung der Tierschutz-Verbandsklage, ein Verbot von Qualzuchten und die Kastration von Hauskatzen. Langstreckentransporte in Drittstaaten lehnen sie ab, mobile Schlachtung und Weideschlachtung sehen sie als Alternative zur herkömmlichen Schlachtung.
Zielsetzung tierversuchsfreie Forschung
Ziel der Grünen ist eine tierversuchsfreie Forschung in Medizin und Biologie, die sie fördern wollen. Perspektivisch will der Landesverband auch ein Studium ohne Tierversuche sicherstellen. In der Gesellschaft soll für mehr Tierschutz geworben werden, indem dier Thematik in der Lehrer:innenausbildung und in den Lehrplänen mehr Raum gegeben wird. Auf Landesebene soll ein multidisziplinäres Team aus Veterinärmediziner:innen, Landwirt:innen und Jurist:innen aufgebaut werden, das die Veterinär-und Lebensmittelüberwachungsämter in ihren Kontrollen unterstützen soll. Beim Thema Wolf setzt der Landesverband auf den Schutz von Weidetieren durch Zäune und Herdenschutzhunde.
Linke will industrielle Tierhaltung evaluieren
Auch die Linke gibt den Themen Tier- und Naturschutz viel Platz in ihrem Wahlprogramm. Der Landesverband steht zur landwirtschaftlichen Nutztierhaltung, sieht aber die Notwendigkeit für Verbesserungen. Diese sollen umgesetzt werden, ohne die Betriebe wirtschaftlich zu überfordern. Ein Tierschutzplan für die landwirtschaftliche Nutztierhaltung soll evaluiert und die wichtigsten Handlungsbedarfe herausgeareitet werden, um zum Beispiel ein Ende des Kupierens von Ferkelschwänzen zu erreichen. Für Tierheime soll eine auskömmliche Finanzierung sichergestellt werden. Der Landesverband befürwortet zudem die Tierschutz-Verbandsklage. Eine allgemeine Bestandsregulierung des Wolfes sieht der Verband kritisch, stattdessen soll der Herdenschutz sichergestellt werden. Bei Wolfsübergriffen auf Weidetiere, die den Standards entsprechend geschützt sind, sollen Wölfe jedoch geschossen werden können.
Tierschutzpartei steht für das Ende des Tierleids
Die umfassendsten Tierschutzpläne legt erwartungsgemäß die Partei Mensch Umwelt Tierschutz (Tierschutzpartei) vor. Sie tritt zum zweiten Mal in Brandenburg mit einer eigenen Landesliste an. Im Jahr 2019 holte sie 2,6 Prozent der Stimmen. In ihrem Grundsatzprogramm wirbt die Partei damit, die erste zu sein, die sich konkret für das Ende des Tierleid in allen Bereichen einsetzt. Dazu müsse der Schutz von Tieren in einem eigenen Artikel im Grundgesetz verankert werden. Politisch steht die Tierschutzpartei zwischen Linken und Grünen.
Fazit: Keine Tierschutz-Wende in Sicht
Eine Wende in der Agrar- und Ernährungspolitik ist weder mit SPD, CDU, AfD, noch mit dem BSW zu erwarten – im Gegenteil. Statt auf eine pflanzenbasierte Ernährung zu setzen, wollen die Parteien die sogenannte Nutztierhaltung ausbauen. Auch der Ausstieg aus dem Tierversuch steht nicht auf ihrer Agenda. Die weitreichendsten Tierschutzpläne legen die Grünen, die Linken und die Tierschutzpartei vor.
Hier können Sie die Wahlprogramme der Parteien (in alphabetischer Reihenfolge) herunterladen
AFD, BSW, CDU, Grüne, Linke, Tierschutzpartei, SPD
Bei allen Angaben handelt es nicht um eine Wahlempfehlung. Der Bundesverband Menschen für Tierrechte e.V. ist politisch neutral.
Pressestelle Menschen für Tierrechte:
Christina Ledermann
Mobil: 0179/450 46 80
E-Mail: ledermann@tierrechte.de
Menschen für Tierrechte – Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.
Severinusstr. 52, 53909 Zülpich
Tel: 02252/830 12 10
www.tierrechte.de
www.ausstieg-aus-der-tierhaltung.de
www.invitrojobs.de
www.satis-tierrechte.de
www.stadttauben.de
Der Bundesverband Menschen für Tierrechte setzt sich seit seiner Gründung 1982 auf rechtlicher, politischer, wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Ebene für die Anerkennung elementarer Tierrechte ein und kämpft gegen jeglichen Missbrauch von Tieren. Das langfristige Ziel ist eine grundsätzliche Veränderung des Mensch-Tier-Verhältnisses. Dem Dachverband mit Hauptsitz in Zülpich (früher Aachen) sind Vereine sowie private Fördermitglieder angeschlossen. Seine Stärke liegt im Zusammenwirken von Seriosität, Fachwissen und Lobbyarbeit auf höchster politischer Ebene. Dazu verfolgt der Verband einen Masterplan zum Ausstieg aus dem Tierversuch und eine Ernährungs- und Agrarwende von der tierischen zur pflanzlichen Eiweißproduktion. Mit dem Projekt Ausstieg aus der Tierhaltung zeigt er Landwirt:innen Alternativen auf, wie sie auch ohne sogenannte Nutztiere erfolgreich und nachhaltig wirtschaften können. Um tierversuchsfreie Methoden voranzubringen, veröffentlicht der Verband das „Ersatzverfahren bzw. Replace des Jahres“ sowie das: „Versuchstier des Jahres“, betreibt die Wissenschaftsplattform InVitro+Jobs für eine konsequente Förderung der tierversuchsfreien Forschung und setzt sich mit dem Projekt SATIS für eine humane Ausbildung ein. Außerdem unterstützt der Verband das tierschutzkonforme Stadttaubenmanagement und gibt mehrmals im Jahr das Magazin tierrechte heraus. Neben einem Themenschwerpunkt informiert die Zeitschrift Journalisten, Wissenschaftler, Politiker, Behörden und Verbandsmitglieder über aktuelle Entwicklungen in der politischen Tierrechtsarbeit. Zudem erscheint zweimal monatlich der Tierrechte Newsletter. Der Bundesverband Menschen für Tierrechte ist seit seiner Gründung als gemeinnützig und besonders förderungswürdig anerkannt. Beiträge und Spenden sind steuerlich absetzbar.