Bildung und Tierrechte

Tierschutz im Unterricht ist das Gebot der Stunde

Regina Kowalzick unterrichtet Politik und evangelische Religion an einem Kölner Gymnasium. 2003 hat sie das Projekt Schüler für Tiere gegründet. Der Tierschutz (Mitweltschutz) gehört für sie zu den wichtigsten gesellschaftlichen Themen der Gegenwart. Dass er in den schulischen Richtlinien und Lehrplänen nur eine untergeordnete Rolle spielt, ist für sie eine bildungspolitische Katastrophe. Um zu erreichen, dass Tierschutzthemen verpflichtend gelehrt werden, hat sie 2010 die Bildungsinitiative Achtung Mitwelt gegründet.

Schule hat Vorbildfunktion und muss sich der Herausforderung stellen, Schülern eine Welt näherzubringen, in der es nicht nur um Profit, Macht und Eigeninteresse geht, sondern um Mitgefühl, Respekt und Achtsamkeit. Wer Kinder zu freien, eigenverantwortlichen und moralischen Persönlichkeiten erziehen will, muss sie auch anleiten, Ungerechtigkeiten zu erkennen und für Schwächere einzutreten. Das gilt sowohl für den Umgang mit Menschen als auch mit Tieren. Seit 2002 verlangt das Grundgesetz in Artikel 20 a die Förderung des Tierschutzes. Die Aufnahme des Tierschutzgedankens in die schulischen Richtlinien und deren professionelle Umsetzung durch die Lehrer ist also ein Gebot der Stunde. Aber: An unseren Schulen werden diese wichtigen Themen bisher nicht oder nur unzureichend gelehrt. Jungen Menschen bleibt so notwendiges Wissen vorenthalten.

Pädagogen sind in der Pflicht
Der Grund: In den schulischen Richtlinien und Lehrplänen spielt das Thema Mitwelt oft eine eher untergeordnete Rolle. Doch wie sollen positive Veränderungen angestoßen werden, wenn junge Menschen in wichtigen gesellschaftlichen Bereichen nur unzureichend aufgeklärt werden? Deshalb stehen gerade die Pädagogen in der Pflicht, unsere Schüler in diesem Themenbereich umfassend aufzuklären. Es ist nötig, den Kindern Hintergrundinformationen zu liefern, damit sie ein Bewusstsein entwickeln und selbst kompetente Entscheidungen treffen können. Auch wenn diese Tierschutzthemen nicht explizit in den Lehrplänen aufgeführt sind, so gibt es unzählige Möglichkeiten, sie im Unterricht zu thematisieren. Man muss es nur wollen!

Vorbehalte von Seiten der Schulleitung und der Eltern
Doch es ist nicht nur ein Defizit an Wissen oder Empathie, wenn viele Lehrer das Thema Mensch-Tier im Unterricht meiden. Viele Kollegen trauen sich schlicht nicht, das Thema „Tierschutz“ in ihren Unterricht einzubauen, weil sie Widerstände von Seiten der Schulleitung und der Eltern fürchten. Sie werden mit Vorbehalten, Vorurteilen, uns belächelnden Kollegen und auch mit Eltern konfrontiert, deren Kinder plötzlich kritisch und damit unbequem geworden sind. Es ist oft leichter, diese Themen einfach auszuklammern. Doch verglichen mit den strahlenden Augen und der Wissbegierde der Schüler, wenn es um Tierschutzthemen geht, kann man dies gut aushalten. Viele Schüler bedanken sich bei mir, dass ich als einzige Lehrerin nie lockergelassen habe, sie für das Leid der Tiere und den Schutz unseres Planeten zu sensibilisieren.

Keine heile Welt vorgaukeln
Dass das Thema „Tierschutz“ in unseren Schulen so gut wie kein Thema ist, ist auch politisch bedenklich. Die Erklärung dafür liegt auf der Hand: Unrecht und Leid, das den Tieren infolge ihrer wirtschaftlichen Nutzung (industrielle Massenhaltung, Tiertransporte, Tierversuche, Pelztierzucht) zugefügt wird, ist unermesslich. Aufklärungsarbeit in Sachen „Tierschutz“ findet nicht statt, weil einerseits mit der Tierausbeutung sehr viel Geld verdient wird, und andererseits Kinder und Jugendliche durch ihr Konsumverhalten diesen Wirtschaftskreislauf als zukünftige Käufergeneration aufrechterhalten sollen. Doch es besteht ein gesellschaftlicher und zugleich moralischer Auftrag, umfassend und wahrheitsgetreu zu informieren und junge Menschen auch mit einer unschönen und grausamen Realität zu konfrontieren – natürlich kindgerecht. Die Ausbeutung der Tiere und das damit verbundene Leid darf weder verharmlost noch verschwiegen werden.

Gegengewicht zur Tiernutzer-Lobby nötig
Stattdessen nehmen seit vielen Jahren Jäger, Landwirte, Tierexperimentatoren und andere finanzstarke Tiernutzergruppierungen vermehrt Einfluss auf Schülerinnen und Schüler. Da die Öffnung von Schule durchaus erwünscht ist, werden solche Angebote gerne von den Schulen angenommen. Doch es regt sich seit längerem Kritik, denn hierbei wirken Interessengruppen, die vom Tierleid profitieren, häufig ungefiltert und einseitig auf leicht zu manipulierende Kinder und Jugendliche ein. Es kommt erschwerend hinzu, dass es in Deutschland noch zu wenig qualitativ hochwertiges Unterrichtsmaterial zu zahlreichen Tierschutzthemen gibt. Bestehende Publikationen weisen häufig einen Mangel an Objektivität auf und polarisieren je nach Verfasser. Diese Lücke nutzen die Lobbyisten.

Zu wenig hochwertiges Unterrichtsmaterial
Sie erstellen Unterrichtsmaterialien, veranstalten Schulwettbewerbe und bilden Lehrer fort. Hinter diesem scheinbar so großzügigem Engagement stehen natürlich konkrete Interessen. Schüler als Wähler und Konsumenten von morgen werden zum Ziel einer langfristigen Lobbystrategie. Dem muss unbedingt ein Gegengewicht gegenüber gestellt werden. Es ist unerlässlich, dass Themen wie Tierversuche, Heimtierhaltung, Jagd, Massentierhaltung, Zirkus, Pelz u. a. in Schulbüchern und Unterrichtsmaterialien tierschutz- und altersgerecht behandelt werden. Ebenso wichtig ist es, dass Eltern an Lehrer appellieren, diese Themen verstärkt in den Unterricht einzubinden. Eltern sollten die Schule dabei unterstützen, indem sie z. B. Tierschutz-AGs übernehmen.

Es gibt kaum ein anderes Thema, das so viele Chancen bietet, an einer lebenswerten Zukunft für Mensch und Tier zu arbeiten. Es liegt an uns, dafür optimale Voraussetzungen zu schaffen. Denn: Erziehung besteht nicht nur in der Ausbildung des Verstandes, wie der Dalai Lama sagt, auch die Intelligenz des Herzens und menschliche Qualitäten wie Mitgefühl, Freundlichkeit, Wohlwollen und Verantwortungsgefühl müssen geschult werden.

Regina Kowalzick

Bildungsinitiative Achtung Mitwelt

Wir brauchen Pädagogen, die die Notwendigkeit von Tierschutzthemen im Unterricht erkennen und dieses Wissen an junge Menschen weitertragen. Aus diesem Grund wurde 2010 die Bildungsinitiative „Achtung Mitwelt“ gegründet. (Mitwelt = Mensch, Tier, Natur sind untrennbar, jede Lebensform hat einen Eigenwert). Die Initiative setzt sich dafür ein, Tierschutzthemen in die Bildungseinrichtungen einzubinden und verpflichtend zu behandeln. Die Bildungsinitiative bietet zudem Fortbildungen zum Mitweltpädagogen an (zur Zeit werden aus organisatorischen Gründen jedoch keine Seminare angeboten). Über ausgebildete Mitweltpädagogen werden so Tierschutz- und Mitweltthemen verstärkt in die Kitas, Schulen und Jugendarbeit getragen.

Sieben wichtige Gründe für Mitwelt-Unterricht:

1. Tierschutz-/Mitweltunterricht ist Gewaltprävention
Die moderne Gewalt- und Aggressionsforschung bestätigt, dass zwischen Gewalt gegen Tiere und Gewalt gegen Menschen ein enger Zusammenhang besteht.

2. Wissen vermitteln, das kaum unterrichtet wird
Ethik, Tierschutz, Naturschutz, globale Auswirkungen unserer Lebens- und Ernährungsgewohnheiten auf die Mitwelt, Intelligenz und außergewöhnliche Fähigkeiten von Tieren und Pflanzen. Genialität von Leben erkennen, die Vielfalt und Andersartigkeit der Lebewesen als Reichtum verstehen lernen.

3. Aufklärung: Kinder haben ein Recht auf richtige Information
Gegenseitige, globale Abhängigkeiten aufzeigen: Der Mensch kann ohne Natur nicht leben – die Natur ohne ihn sehr wohl! Altersgerecht werden Missstände erklärt und Lösungen aufgezeigt.

4. Unterscheidungsvermögen zwischen Recht und Unrecht wird gestärkt
Durch Wissensvermittlung und Stärkung des Mitgefühls lernen die Kinder selbst zu erkennen, was Recht und Unrecht ist.

5. Kinder lernen, für Schwächere einzutreten und sich zu engagieren
Zivilcourage und Mut entwickeln, sich gemeinsam mit anderen aktiv für Schwächere einsetzen und die eigene Stimme gegen das Unrecht erheben, Selbstsicherheit und Selbstvertrauen aufbauen.

6. Nachhaltigkeit lernen
Junge Menschen sollen lernen, wie sich das eigene Handeln auf künftige Generationen und ihre Mitwelt auswirkt.

7. Mitweltunterricht ist Menschen- und Mitweltschutz
Durch Aufzeigen von Lösungen für bestehende Missstände werden die Kinder aufgefangen und Wege in eine bessere Welt aufgezeigt.

www.achtung-mitwelt.de
www.schueler-fuer-tiere.de