Wahlen

Brandenburg: Der Tierschutz bei den Landtagswahlen

Am 1. September wählt Brandenburg eine neue Landesregierung für die nächsten fünf Jahre. Dass die Brandenburger sich entschieden gegen die Massentierhaltung aussprechen, zeigte eindringlich das Volksbegehren gegen Massentierhaltung, das über 100.000 unterzeichneten. Deswegen gehört es in Brandenburg zum guten Ton, dass sich die Parteien gegen die industrielle Tierhaltung aussprechen. Um zu verhindern, dass die Wähler leeren politischen Worthülsen aufsitzen, haben wir die Wahlprogramme nach konkreten Instrumenten und Maßnahmen für mehr Tierschutz durchforstet.

Seit 2014 wird Brandenburg von einer Koalition aus SPD und Linken unter dem Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) regiert. Neueste Wahlumfragen gehen davon aus, dass die AfD die SPD bei der Landtagswahl überholen könnte. Ein Zuwachs an Stimmen wird neben der AfD auch für Grüne, FDP und Freie Wähler vorhergesagt. Welche Partei auch immer als stärkste Fraktion aus der Wahl hervorgeht, sie wird sich Koalitionspartner suchen müssen.

Widerstand gegen industrielle Tierhaltung
Das Flächenland Brandenburg bietet ideale Voraussetzungen für die Ansiedlung von industrieller Tierhaltung. Doch der Widerstand in den Dörfern wächst. 2016 unterzeichneten 103.545 Brandenburger ein Volksbegehren gegen Massentierhaltung. SPD und Linke beschlossen daraufhin, unter anderem einen Tierschutzplan zu erarbeiten, die Förderung und Genehmigung von Großställen einzuschränken, einen Tierschutz-Beauftragten einzusetzen und die Medikamenten- und Umweltbelastung zu verringern. Drei Jahre nach dem Volksbegehren wurden die Beschlüsse aus dem Tierschutzplan nur teilweise umgesetzt wurden.

Massentierhaltung boomt
Der Tierschutzplan, der vom Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie e. V. (ATB) sowie der Lehr- und Versuchsanstalt für Tierzucht und Tierhaltung e. V. erarbeitet wurde, enthält 131 Maßnahmen. Doch das Versprechen, der boomenden Massentierhaltung Einhalt zu gebieten, konnte Rot-Rot nicht erfüllen. Laut einer Anfrage der Grünen gibt es in Brandenburg allein über 5 Mio. Mastplätze für sogenannte Masthühner. Weitere 1,2 Mio. wurden genehmigt und weitere Megaanlagen sind beantragt. Auch die Zahl der Schlachtbetriebe in Brandenburg ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Hinzu kommt, dass Tierhaltungsbetriebe in Brandenburg im Durchschnitt bisher nur alle 16,5 Jahre kontrolliert werden.

Begrenzt: Kompetenzen des Tierschutzbeauftragten
Seit 2017 hat Brandenburg einen Landestierschutzbeauftragten. Doch der Veterinär Stefan Heidrich hat nur eine rein beratende Funktion. Die Kritik: Die Kompetenzen des Tierschutzbeauftragten sind viel zu begrenzt, um sich mit großen Mastbetrieben anlegen zu können. Auch die vom Landtag beschlossene Beteiligung der Kommunen bei Bauvorhaben und die angekündigten Bonusprogramme für den Umstieg in tierfreundlichere Haltungssysteme kommen nicht oder nur schleppend voran. Insgesamt sind die Initiatoren des Volksbegehrens enttäuscht. Von einem Ende der Massentierhaltung sei Brandenburg weit entfernt. Noch nicht einmal der Minimalkonsens über eine deutlich verbesserte konventionelle Tierhaltung, konnte erreicht werden.

Wahlprogramme: Nur leere Versprechen?
Da die Parteien erkannt haben, dass Tier- und Umweltschutz den Wählern wichtig sind, enthalten mittlerweile so gut wie alle Wahlprogramme gesonderte Abschnitte zum Tierschutz. Fast alle Parteien sprechen sich beispielsweise gegen die industrielle Tierhaltung aus. Doch wie kann der Wähler wissen, dass es sich dabei nicht nur um leere Absichtsbekundungen handelt? Die Antwort: Entscheidend ist, dass die Parteien nicht nur angeben, was sie verfolgen, sondern, sondern auch mit welchen Instrumenten sie dies umsetzen wollen. Ein wichtiger Lackmustest für die Ernsthaftigkeit der Tierschutzambitionen ist, ob die Parteien die Einführung der Tierschutz-Verbandsklage verfolgen. Ein weiterer Indikator ist, ob sie sich für eine Umschichtung der EU-Agrarinvestitionen im Sinne von mehr Tier- und Umweltschutzmaßnahmen einsetzen. Um eine Agrar- und Ernährungswende voranzubringen, dürfen auch die Reduzierung des Fleischkonsums, der Tierbestände sowie die Förderung einer pflanzlichen Ernährung keine Tabus mehr sein. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, ob die Wahlprogramme konkrete Maßnahmen enthalten, wie die tierversuchsfreie Forschung in der nächsten Legislatur vorangebracht werden soll.

Lackmustest Tierschutz-Verbandsklage
Klar für die Einführung der Tierschutz-Verbandsklage sprechen sich nur drei Parteien in ihren Wahlprogrammen aus: Dies sind die Grünen, die Tierschutzpartei und die Piraten. Um Tierschutzverletzungen schon früh zu verhindern, wollen die Grünen den Tierschutzverbänden ein Kontrollrecht gegenüber den Genehmigungsbehörden einräumen sowie strengere Kontrollen durch die Veterinärbehörden durchsetzen. Die SPD hatte sich in einem Positionspapier für das Klagerecht ausgesprochen. Im Wahlprogramm taucht die Forderung jedoch nicht mehr auf. Ähnlich sieht es bei den Linken aus. Obwohl ihr Landesvorsitzender Christian Görke sich öffentlich für die Einführung der Tierschutz-Verbandsklage ausspricht, sucht man den Begriff „Verbandsklage“ im Wahlprogramm vergeblich. In den Wahlprogrammen von CDU, AfD und Freie Wähler wird die Tierschutz-Verbandsklage nicht erwähnt.

Nötig: Reduzierung der Tierbestände
Um tierfreundlichere Haltungsformen voranzubringen und die Belastung von Klima, Böden und Wasser zu reduzieren, müssen die Tierbestände erheblich reduziert werden. Stichwort ist hier eine flächengebundene Tierhaltung bei der die Betriebe, ihr Futter überwiegend selbst erzeugen. Diese klare Forderung findet sich nur in den Wahlprogrammen von Grünen, Linken, Freien Wählern sowie bei der Tierschutz- und der V-Partei.

Umschichtung der EU-Agrarinvestitionen
Die derzeit anstehende Reform der GAP (Gemeinsamen Agrarpolitik) bietet die Chance, die EU-Landwirtschaftssubventionen grundsätzlich umzustrukturieren. Im aktuellen Förderzeitraum bis 2020 fließen fast drei Viertel der Mittel, rund 293 Milliarden Euro, über die erste Säule in Direktzahlungen. Diese begünstigen die industriell geprägte Intensivtierhaltung. Nur 1,5 Prozent der Gelder fließen derzeit in Tierschutzmaßnahmen. Deswegen muss die Vergabe von Fördergeldern zukünftig über die zweite Säule an Maßnahmen für mehr Tier-, Umwelt- und Naturschutz gekoppelt werden. Die meisten Wahlprogramme enthalten keine konkreten Aussagen zur überfälligen Umschichtung der EU-Agrarinvestitionen. Klar äußert sich die CDU: Sie will an den umstrittenen Direktzahlungen für Großbetriebe festhalten. Die SPD will stärkere Anreize für mehr Investitionen in das Tierwohl geben und dazu die Förderprogramme der EU einsetzen. Die Grünen wollen eine europäische Agrarwende einleiten und die Förderung neu ausrichten. Danach sollen nur noch Betriebe gefördert werden, die umweltverträglich und nach strengen Tierschutzstandards arbeiten.

Förderung pflanzlicher Ernährung
Als Tierrechtsorganisation verfolgt der Bundesverband neue Ernährungs- und Landbaukonzepte auf pflanzlicher Basis. Politisch ist diese Forderung jedoch noch nicht weit genug gebahnt und wird bisher nur von wenigen Parteien unterstützt. Dies sind die Grünen, die Tierschutzpartei und die V-Partei. Die Grünen geben an, vegetarische und vegane Angebote weiter ausweiten zu wollen und eine nachhaltige Landwirtschaft ohne Tierhaltung (biovegan) zu erproben.

Tierversuche: Keine Konzepte
Bezüglich eines nötigen Ausstiegsplans aus dem Tierversuch enttäuschen alle Parteien. Die Wahlprogramme von SPD, CDU, Linke und FDP enthalten den Begriff Tierversuch überhaupt nicht. Die Programme von AfD, Freien Wählern, Grünen fordern zwar die Reduzierung von Tierversuchen, enthalten aber neben Phrasen keine konkreten Maßnahmen. Einzig die Tierschutzpartei und die V-Partei sprechen sich klar für die Abschaffung von Tierversuchen aus.

Fazit: Genau hinsehen
Am 1. September müssen die Brandenburger selbst entscheiden, bei welchen Parteien sie ihre Kreuzchen machen. Wir können nur ein paar Anhaltspunkte liefern, mit denen jeder die tierschutzpolitischen Ambitionen der Parteien überprüfen kann. Um nicht politischen Worthülsen aufzusitzen, sollten sich die Wähler auch fragen, welche Parteien sich in der Vergangenheit tatsächlich für die Tiere eingesetzt haben und ob sie mit deren Arbeit zufrieden waren. Eine weitere strategische Überlegung ist, welche Partei laut den Umfragen gute Chancen hat, die Fünf-Prozent-Hürde zu überwinden. Denn den Tieren bringt Ihre Stimme nichts, wenn sie unter dem Sammelbegriff „Sonstige“ in der Statistik verschwindet.

Hier können Sie sich die Wahlprogramme als PDF herunterladen:

Hier lesen Sie die Pressemitteilung vom 22.08.19